Es ist wieder so weit: Spätestens im Juli beginnt in Deutschlands Uni-Städten der Wohnungsmarathon. Hunderttausende Studienanfänger suchen dann, noch rechtzeitig vor dem Beginn des Wintersemesters am 1. Oktober, ein bezahlbares Dach über dem Kopf.
Viele Studenten werden am Ende froh sein, wenn sie vorübergehend erst einmal in einem Flüchtlingsheim oder einem Hotel unterkommen.
An den deutschen Hochschulen waren mit 2,85 Millionen jungen Menschen noch nie so viele Studenten eingeschrieben wie im Wintersemester 2017/2018, und für das Wintersemester 2018/2019 wird mit Hunderttausenden weiterer Immatrikulationen ein neuer Rekord erwartet. Die Studienbedingungen sind entsprechend schlecht und Chancengleichheit war gestern. Denn für Studierende, die z. B. auf BAföG-Leistungen angewiesen sind, ist bereits eine Wohnung bzw. ein Zimmer vielerorts kaum mehr zu finanzieren.
Wie das Moses Mendelssohn Institut zusammen mit der Internet-Plattform wg-gesucht.de in einer bundesweiten Studie festgestellt hat, geben Studierende z. B. in Frankfurt am Main zwischen 600 bis 1.250 Euro allein für ihre Miete aus. Und damit ist Frankfurt noch nicht einmal die teuerste Stadt. München ist noch teurer.
Schlechte Studienbedingungen durch hohe Mieten
Aber auch in kleineren Städten wie Göttingen hat sich die Wohnraumknappheit so verschärft, dass das dortige Studentenwerk ein Hotel als Notunterkunft anmieten musste: 20 Doppelzimmer, 40 Plätze, fünf Euro pro Nacht. Und das nur befristet, für maximal 14 Tage am Stück! Statt in die Vorlesung geht’s also bald schon wieder auf Zimmersuche…
Da die Wartelisten endlos sind und sich mittlerweile bereits Schüler vor Erreichen des Abiturs (!) darauf eintragen lassen, hat das Göttinger Studentenwerk bereits zwei Gebäude eines leer stehenden Flüchtlingsheims angemietet. Denn an Flüchtlingsunterbringungen ist im Gegensatz zu studentischem Wohnraum kein Mangel, da jeder Asylant Anspruch auf einen kurzfristig bereitgestellten, menschenwürdigen Wohnraum hat und vielerorts sogar eigens errichtete Wohncontainer wieder leer stehen, nachdem die Geflüchteten woanders und häufig besser untergebracht werden konnten bzw. ihre Zahl rückläufig ist. Diese Container werden dann den Studenten angeboten.
Kein gesetzlich verbriefter Anspruch auf Wohnraum
Mehr Immatrikulationen im ersten Hochschulsemester, mehr Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund oder Männer in der Grundschulpädagogik: Dafür gibt es Kopfprämien vom Staat. Deshalb werben die Unis im In- und Ausland um jeden potentiellen Studenten, denn unbesetzte Studienplätze bringen Abzüge. Wo die angelockten Studiosi dann aber vor Ort wohnen, leben und büffeln sollen, davon steht in den Flyern und Online-Portalen nichts geschrieben, und auch die neue Mietpreisbremse spart das Thema aus. Während jedes Kind einen gesetzlich garantierten Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat und jedes Einkaufszentrum in ausreichender Zahl Parkplätze zur Verfügung stellen muss, gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Unterbringung von Studierenden.
Löbliche Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: So steckt das Studierendenwerk Hamburg derzeit 100 Mio. Euro in den Neubau und die Renovierung von Wohnungen, um in insgesamt 24 Anlagen über 4.000 Wohnmöglichkeiten für Studierende zu schaffen. Aber auch das ist in der Hansestadt (und deutschlandweit erst recht) noch nicht einmal der Topfen auf den heißen Stein. Generell gilt: Während Bund, Länder und Kommunen viel Geld in die Hand genommen haben, um die derzeit ca. 1,8 Mio. Geflüchteten in unserem Land menschenwürdig unterzubringen, gehören die Studenten auf dem ohnehin verschärften Wohnungsmarkt in den Städten zunehmend zu den Verlierern.
Investoren im Goldrausch
Während die Studentenwerke fast aller Uni-Städten bei Kommune und Land noch um finanzielle Mittel für die Wohnraumbeschaffung werben, sind vielerorts private Investoren bereits im Goldrausch und bieten speziell für Studierende Micro-Apartments an, die sich nicht am Mietspiegel orientieren müssen und deshalb höchste Rendite versprechen. Wessen Eltern zahlen können, zieht da auch ein.
Andernfalls bleiben freigewordene Flüchtlingsunterkünfte als preiswertere Alternative, gleichsam als Comeback der Sozialwohnung. So wurden und werden in deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München immer häufiger Unterkünfte für Flüchtlinge hochgezogen, mit der Option, diese sofort nach Fertigstellung oder später auch als Wohnraum für Studenten anzubieten.
Heute Flüchtlingsunterkunft, morgen Studenten-WG
Gleichzeitig ziehen immer häufiger Studenten in freigewordene Flüchtlingsunterkünfte – wie z. B. in Lüneburg, dem Sitz der Leuphana Universität. Dort vermietet die Stadt schon seit 2016 Flüchtlings-Container auch an Studenten, wo diese dann Tür an Tür mit den noch verbliebenen (und noch nicht in besseren Wohnraum umgezogenen) Flüchtlingen wohnen. Das fördere die Integration, heißt es seitens der Stadt: „Wir freuen uns, dass es hier gelungen ist, zwei Gruppen zusammen zu bringen, die jeweils in einer neuen Umgebung in einen neuen Lebensabschnitt starten.“
Schade nur, dass diese Notunterkünfte – weit entfernt vom Campus und dem städtischen Leben – draußen auf der grünen Wiese stehen. Besser als nichts – zweifellos. Aber sicher auch nicht der optimale Start in einen neuen Lebensabschnitt.