„Wir sind gehackt worden,“ gestand der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages Professor Dr. Ansgar Staudinger, den anwesenden Juristen und Gästen bei der Eröffnung des 58. Verkehrsgerichtstages in Goslar. Dessen modernisierter Internetauftritt litt während der Liveübertragung der Eröffnungsveranstaltung massiv unter Störungen.
Aber der Präsident hatte auch gute Nachrichten zu verkünden. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag wird auch zukünftig in Goslar stattfinden. Damit haben die Diskussionen um einen möglichen Umzug ein Ende gefunden. Außerdem möchte Staudinger das „Produkt Verkehrsgerichtstag“ modern halten. Deshalb sollen verstärkt jüngere Juristen und Studenten in die Diskussionen eingebunden werden und der Meinungsaustausch der verschiedenen juristischen Berufsgruppen intensiviert werden.
Europarecht wird unterschätzt
Bei seiner Einführungsansprache wies Staudinger auf die Bedeutung Europas hin, als er sagte: „Es gibt Chancen und Risiken beim Europarecht“. Der Reiserechtsexperte verwies auf die Arbeitsgruppe, die sich mit Unfällen im Ausland beschäftigt. Dass es heute möglich sei, bei einem Auslandsschaden in Deutschland zu klagen, sei ein Verdienst europäischer Regelungen. Staudinger dazu: „Ohne Europa würde es all das nicht geben.“ Zum Maut-Desaster vor dem Europäischen Gerichtshof sagte er nur, man hätte besser vorher einen Europarechtler gefragt.
Versicherungsfragen im Fokus
Dieses Jahr dreht sich die Mehrheit der Themen um „alltägliche“ Probleme der Autofahrer. Da wären die allseits unbeliebten Bußgelder, die „fiktive Schadenregulierung“ bei einem Verkehrsunfall oder die Schadenregulierung bei Unfällen im Ausland. Auch um neue Maßnahmenkonzepte für Fahranfänger und die hohe Nichtbestehensquote macht man sich beim diesjährigen Verkehrsgerichtstag Gedanken.
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Eines muss man den Organisatoren des Verkehrsgerichtstages bescheinigen, sie sind immer auf Höhe der Zeit. Immer mehr Urlauber buchen eine Kreuzfahrt und schon beschäftigt sich eine eigene Arbeitsgruppe mit anstehenden Rechtsfragen rund um diese boomende Urlaubsform. Mit der „Sicherheit und Passagierrechten auf Kreuzfahrten“setzt sich der Arbeitskreis VIII auseinander. Weitere Arbeitskreise beschäftigen sich mit Elektro-Kleinstfahrzeugen, der Entschädigung von Terroropfern und der zunehmenden Agressivität im Straßenverkehr.
Grüne Weichen für die Zukunft
Angesichts der momentan andauernden Erfolgswelle der Grünen und mit Blick auf die Bundestagswahl im Oktober 2021, bekommt der Plenarvortrag von Cem Özdemir zur „Verkehrspolitik im 21. Jahrhundert“ ein besonderes Gewicht. Der Grünenpolitiker ist seit Anfang 2018 Vorsitzender des Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur im Deutschen Bundestag.
In seinem Vortrag ging Özdemir nicht so zurückhaltend, wie Professor Staudinger, mit der Maut-Niederlage der Bundesregierung vor dem europäischen Gerichtshof um. Nach seiner Meinung war das „die teuerste Bierzeltidee, die je in Gesetzesform gegossen wurde.“ Auch die langjährige Stillegung von Bahnstrecken im ländlichen Raum kritisiert er als eine „falsche politische Weichenstellung“.
Özdemir möchte klimafreundliche Alternativen schaffen, die nicht gegen das Auto gerichtet sind. Er sagt: „Wir brauchen die Verkehrswende, da sich die Mobilität verändert“. Seine Vision ist eine gerechtere Neuaufteilung des öffentlichen Raums, mit mehr Platz für alles, was „innovativ und emissionsfrei“ unterwegs ist.
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Die Überlegungen der Bundesregierung zur Modernisierung der Straßenverkehrsordnung findet dagegen seine Zustimmung. Es geht dabei um mehr Schutz für Fußgänger und Radfahrer. Seine Vision einer Verkehrswende beschreibt Özdemir so: Mehr Gestaltungsspielraum für die Gemeinden bei der Verkehrssicherung und eine innerstädtische Regelgeschwindigkeit von Tempo 30. Tempo 50 nur da, wo dies sicher möglich ist.
Im Wandel eine Chance sehen
Fahrradstrassen sollten ohne eine „Nachweisvorgabe“ eingerichtet werden. Den Nachweis eines Bedarfs, wenn dieser bereits sichtbar vorhanden ist, hält Özdemir für sinnlos. Hinsichtlich der aktuellen Diskussion zum Themas „Tempolimit“ stimmt der Politiker Professor Staudinger zu, der eine öffentliche Diskussion ohne wissenschaftliche Untersuchung kritisiert. Staudinger hatte dazu gesagt: „Wie kann man für oder gegen etwas sein, ohne es wissenschaftlich aufzubereiten“.
Risiko Digitalisierung
Zum Abschluss seines Vortrags ging Özdemir auch auf das Thema „vernetztes automatisiertes Fahren“ ein. Das ist, sagt es, eine wichtige Zukunftstechnologie für die deutschen Autobauer. Der grüne Verkehrspolitiker möchte die Mobilität von morgen gestalten und dabei die deutschen Arbeitsplätze erhalten.
Für Özdemir bedeutet eine Verkehrswende Innovation. Das sehen die ungebetenen „Besucher“ des Verkehrsgerichtstages aus dem Internet wohl anders. Auf ihre Weise machen die Hacker darauf aufmerksam, dass autonomes Fahren mit großen digitalen Sicherheitsrisiken verbunden sein kann.