Ist eine „Alltagsmaske“ in der Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ ein Medizinprodukt oder nur ein, in diesem Fall, lustig bedrucktes Stück Stoff? Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Hamm sollte jetzt entscheiden, ob ein Großhändler den „Status“ der Alltagsmaske vor dem Vertrieb hätte klarstellen müsssen.
Vorausgegangen war ein Verfahren vor dem Landgericht (LG) in Münster. Dort hatte ein Unternehmen aus Isernhagen, im Rahmen eines Eilverfahrens, von einem Großhändler verlangt, eine zur Bedeckung von Mund und Nase geeignete „Stoffmaske“ sowie eine „Mund- und Nasenmaske“ nicht mehr zu vertreiben. Dem Antrag gab das Landgericht, zumindest teilweise, statt. Der Vertrieb der „Stoffmaske“ sei jedoch nicht zu beanstanden, entschieden die zuständigen Richter*innen.
Mit dieser Entscheidung war das Unternehmen nicht einverstanden und erhob Beschwerde beim Oberlandesgericht in Hamm. Doch die OLG-Richter bestätigten die Entscheidung des Landgerichts in Münster. Dem Vertrieb der Maske, so der zuständige 4. Zivilsenat, stünde das Medizinproduktegesetz (MPG), das den Verkehr mit Medizinprodukten regeln, nicht entgegen. Das MPG sorgt für die Sicherheit und Eignung von Medizinprodukten. Ferner soll es für den Schutz von Patienten und sonstiger Nutzer sorgen.
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Aus der Entscheidung des Gerichts
Bei der „Stoffmaske“ handele es sich schon nicht um ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 Nr. 1 MPG. Für die Beurteilung, ob ein Produkt – wie für die Einordnung als Medizinprodukt erforderlich – einem medizinischen Zweck diene, komme es auf die (subjektive) Bestimmung des Herstellers an, wie sie sich aus den Angaben ergebe, die der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder der Werbung entnommen werden könnten. Die Maske selbst sei nicht mit einem Hinweis auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken versehen.
Auch nach ihrer Gestaltung und Aufmachung könne nicht von einer Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken ausgegangen werden: Die Maske sei mit einer – im Stile einer Comic-Zeichnung gehaltenen – Zeichnung eines geöffneten Mundes mit lückenhaftem Gebiss auf grünem Hintergrund bedruckt. Die Verpackung der Maske enthalte ebenfalls keine Hinweise auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken.
Dass die Maske im Einzelhandel möglicherweise zusammen mit medizinisch anmutenden Gesichtsmasken ausgestellt worden sei, sei weder dem Hersteller oder Importeur noch der Großhändlerin aus Drensteinfurt zuzurechnen.
Im Sprachgebrauch der derzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Regelungen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus handele sich bei der in Rede stehenden Maske um nicht mehr als um eine sogenannte „Alltagsmaske“ in Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ (vgl. § 3 Abs. 1 der aktuell geltenden nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung).
Dass einer solchen „Alltagsmaske“ nach Auffassung der Wissenschaft, des infektionsschutzrechtlichen Verordnungsgebers und des angesprochenen Verkehrs eine Schutzwirkung vor der Verbreitung des Coronavirus beigemessen werde, ändere nichts daran, dass sie nach der Bestimmung des Herstellers keinem medizinischen Zweck diene.
Auch Wasser und Seife würden nicht deshalb zu „Medizinprodukten“, weil regelmäßiges Händewaschen nach allgemeiner Auffassung und Empfehlung der zuständigen Behörden eine Schutzwirkung vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus habe.
Die in Anspruch genommene Großhändlerin habe bei dem Vertrieb der „Stoffmaske“ auch nicht klarstellen müssen, dass es sich nicht um ein „Medizinprodukt“ handele. Abwegig sei insbesondere, dass der angesprochene Verkehr die konkret in Rede stehende „Alltagsmaske“ einer unter Verbraucherschutz-, Infektionsschutz-, Gesundheitsschutz- oder Sicherheitsaspekten gesetzlich besonders geregelten Produktkategorie zurechne.
Beschluss OLG Hamm vom 15.12.2020 (Az. I-4 W 116/20)
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
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Quelle: PM OLG Hamm vom 22.12.2020