Das Amtsgericht in München verurteilte einen 67-jährigen Rentner und dessen 56-jährige Ehefrau wegen Freiheitsberaubung zu einer Bewährungsstrafe von je einem Jahr und sechs Monaten. Sie hatten die 92-jährige demenzkranke Mutter in einem tschechisches Pflegeheim untergebracht.
Für die Betreuung zuständig war die Ehefrau des Rentners. Anfang 2019 wurde die 92-jährige Mutter des Rentners aus einer gerontologischen Krankenhausabteilung entlassen. Die Ärzte empfahlen eine häusliche Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst. Doch das Ehepaar brachte die alte Frau in ein Seniorenheim nach Tschechien. Dort wurde sie in der geschlossenen Abteilung untergebracht. Bei der Untersuchung des Vorgangs stellte sich heraus, dass für eine Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung weder eine medizinische Notwendigkeit, noch die dafür erforderliche richterliche Genehmigung vorlag.
Falsche Versprechungen
Bei ihrer Befreiung im August 2019 durch eine Berufsbetreuerin und eine Verfahrenspflegerin befand sich die gebrechliche Frau in einem beklagenswerten Zustand. Sie würde auf ihren Sohn warten, der sie nach seinem Urlaub wieder abholen würde, sagte sie den beiden Frauen. Doch das Ehepaar war keineswegs in Urlaub gefahren, sondern in die Wohnung der alten Frau eingezogen.
Supertolles geschlossenes Heim
Der nachfragenden Verfahrenspflegerin hatte die Ehefrau gesagt, die Mutter befände sich „in einem supertollen geschlossenen Heim in Tschechien“ und käme nicht mehr nach Deutschland zurück. Da das Gericht aber am Einverständnis der 92-jährigen Frau zweifelte, nahm es einen Betreuerwechsel vor und verlangte, die pflegebedürftige Frau für eine gerichtliche Anhörung nach München zu holen. Die neue Betreuerin und die Verfahrenspflegerin fuhren daraufhin nach Tschechien und brauchten die Frau, die Angst vor ihren Mitbewohnerinnen hatte, mit deren Einverständnis nach München in ein offenes Pflegeheim.
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Aus der Entscheidung des Gerichts
„Zu Gunsten beider Angeklagten wurde das vollumfängliche Geständnis beider Angeklagten berücksichtigt, welches dem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart hat. Zu Gunsten beider Angeklagten sprach ferner, dass beide noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. (…) Sie haben die Freiheitsberaubung der Geschädigten billigend in Kauf genommen, nicht jedoch beabsichtigt. Weiter war zu Gunsten beider Angeklagten zu berücksichtigen, dass diese offensichtlich mit der Pflege ihrer demenzkranken Mutter bzw. Schwiegermutter überfordert waren. Zu Lasten beider Angeklagten fiel ins Gewicht, dass sich der Zeitraum der Freiheitsberaubung auf 7 Monate erstreckte. Zu Ungunsten beider Angeklagten wirkte sich auch aus, dass sich die Geschädigte zum Zeitpunkt ihrer „Befreiung“ am 08.08.2019 in einem sehr schlechten psychischen und physischen Zustand befand. Weiter ist zu Ungunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass diese die Geschädigte am 18.01.2019 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Tschechien verbracht haben. Beide Angeklagten erzählten der Geschädigten, dass sie sie nur vorübergehend in dem Heim unterbringen würden, während sie selbst im Urlaub seien. Dies hatte zur Folge, dass die Geschädigte Monate lang – vergeblich – auf Besuche bzw. die Abholung durch ihren Sohn wartete.“
Urteil v. 22.7.2021, Az.: 820 Ls 275 Js 118454/20
Das Urteil ist rechtskräftig
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Quelle: PM AG München v. 20.8.21