Sind Sie stolzer Besitzer einer Eigentumswohnung, eines Reihenhauses oder gar eines freistehenden Einfamilienhauses? Ist die Zufahrtsstraße älter als 50 Jahre? Dann kann es teuer für Sie werden, wenn der Stadtrat beschließt: Unsere Stadt soll schöner werden!
Das passiert gerade in Mettmann, einer Kreisstadt in Nordrhein-Westfalen. Die Zufahrtsstraße in ein Wohngebiet, der „Düsselring“ ist über 50 Jahre alt und muß dringend erneuert werden. Wer bisher dachte, nur die unmittelbaren Anwohner einer Straße würden bei der Erneuerung zur Kasse gebeten, der kennt das Kommunalabgabengesetz (KAG) nicht. Auch Zufahrtsstraßen in ein Wohngebiet, die sogenannten „Haupterschließungsstraßen“, sind „beitragsfähig“.
Beim zu sanierenden „Düsselring“ gibt es insgesamt 11 angeschlossene Straßen und damit sind auch deren Anwohner betroffen. Auch die „Hinterlieger“ werden zur Kasse gebeten.
Kosten für Anwohner kaum kalkulierbar
Der Mettmanner Bürgermeister Thomas Dinkelmann versuchte die 200 bei einer Informationsveranstaltung in der Stadthalle erschienenen Betroffenen zu beruhigen: „Sie haben in uns Verbündete, was die Kritik am Kommunalabgabengesetz angeht“, versichert er den versammelten, meist älteren Eigentümern, die mit der geplanten Sanierung in der vorgesehenen Form nicht einverstanden sind. Ihrer Meinung nach handelt es sich um eine „Luxussanierung“ auf ihre Kosten. Auch Dinkelmann hält das Kommunalabgabengesetz für „ein ungerechtes Gesetz“. Seiner Meinung nach ist das Gesetz „nicht vermittelbar“.
Der geplante Straßenneubau wird geschätzte 3,3 Millionen Euro kosten. Aber die „Kosten können auch bedeutend höher ausfallen“, sagte der Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, Umwelt, Bau, Kurt Werner Geschorec. Der Grund dafür ist, daß die endgültige Höhe der durch die Anlieger zu zahlenden Kostenanteile erst bei Vorliegen der tatsächlich angefallenen Baukosten ermittelt werden kann.
Anwohner tragen 50 % der Baukosten
Bei „Haupterschließungsstraßen“, wie dem Düsselring, kommen über die Hälfte der Baukosten auf die Grundstücks-anlieger zu und werden auf diese aufgeteilt. Erst nach der Zahlung des KAG-Anteils durch die Anlieger kann die Kommune für die Restsumme einen Zuschuss vom Land beantragen.
In der „Anliegerbeitragssatzung“ der Stadt Mettmann ist in § 4 festgelegt, was eine „Haupterschließungsstrasse“ ist. Dabei handelt es sich um „Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen…“.
Mit dem Baubeginn rechnen die anwesenden Verwaltungsexperten in 2 – 3 Jahren. Die Höhe des möglichen Kostenanteils der Anwohner reicht von rund 2800 Euro für ein 500 Quadratmeter großes Grundstück bis zu gut 50.000 Euro für 2000 Quadratmeter. Eine individuelle Berechnung der Kosten ist schwierig, da der zu zahlende Betrag von verschiedenen Faktoren abhängt wie: Geschosshöhe, Lage des Grundstücks und die zukünftige Entwicklung der Grundstückspreise.
Ministerin beobachtet wandernd die Entwicklung
Bürgermeister Dinkelmann hat sich erst im Juni per Brief an den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) gewandt. Der hat das Schreiben an das zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung weitergeleitet.
Die Antwort des Ministeriums an die Stadt Mettmann ist eher vage: „Man beobachte politisch, was im Land passiert“ versichert Ministerin Ina Scharrenbach (CDU). Diese Aussage ist durchaus glaubhaft, da die Ministerin im Sommer zu Fuß aufgebrochen ist, um bei ihrer „Heimat-Tour 2018“ Land und Leute zu entdecken.
„Was Heimat in Nordrhein-Westfalen ausmacht, erfahre ich nicht am Schreibtisch. Deshalb werde ich auch in diesem Jahr auf Heimat-Tour gehen. Bei meinen Wanderungen durch die vielfältigen Regionen unseres Landes möchte ich erleben, was die Bürgerinnen und Bürger vor Ort bewegt, wie sie Heimat gestalten und welche Aufgaben sich daraus für die Arbeit der Landesregierung ergeben“, so Scharrenberg in einer Pressemitteilung und weiter „deshalb möchte ich bei meiner Heimat-Tour mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch kommen“.
Die Kreisstadt Mettmann stand nicht auf ihrer diesjährigen Wanderkarte und so werden die Anliegen der Düsselring-Anwohner wohl nicht in die Arbeit der Landesregierung einfließen.
Scharrenbach besteht auf Kostenbeteiligung
Keine gute Nachricht enthielt der zweite Teil des ministerialen Antwortschreibens an die Stadt Mettmann. Darin erklärt NRW-Ministerin Ina Scharrenbach sehr deutlich, daß die Gemeinde verpflichtet sei, die Komunalabgabe im Falle des Projekts „Düsselring“ zu erheben.
„Die Gemeinde hat keinen Ermessenspielraum“, bedauert Bürgermeister Dinkelmann, der auf politische Einsicht von Seiten der Landesregierung hofft, „damit die Kommune nicht mehr verpflichtet wird, die betroffenen Bürger in Anspruch zu nehmen.“
Andere Bundesländer sind einsichtiger
Hoffnung macht Dinkelmann die Tatsache, daß in Bundesländern wie Baden-Würtenberg, Berlin und Hamburg das KAG bereits geändert wurde. In Bayern und Schleswig-Holstein laufen entsprechende Novellierungen und in weiteren Bundesländern wird darüber diskutiert.
In den Ländern, die das Kommunalabgabengesetz bereits geändert haben, erhalten die Kommunen von den Ländern Ausgleichszahlungen. Das sei auch erforderlich, so der Mettmanner Verwaltungschef, denn ohne zusätzliche Finanzhilfe sei die Folge, daß „reiche Kommunen gute Straßen haben, die armen Kommunen aber schlechte Straßen“.
Streit um Ausbau-Varianten und Kosten
Die Verwaltung der Stadt Mettmann hat zwei Ausbau-Varianten für den Düsselring erarbeitet. Einmal ohne Fahrradweg und einmal mit Fahrradweg. An diesen Fahrradwegen scheiden sich die Geister. Laut KAG ist nicht nur eine reine Erneuerung „beitragspflichtig“, sondern auch eine Verbesserung. Dabei kann es sich um die Beleuchtung, einen zusätzlichen Fahrradweg oder einen neuen Parkstreifen handeln.
Durch die bauliche Maßnahme steigt nach Ansicht des Gesetzgebers der Gebrauchswert des anliegenden Grundstücks. Das sehen die betroffenen Eigentümer ganz anders. Ein Betroffener sagte bei der Versammlung: „Wenn ich mein Grundstück verkaufen will, habe ich eine Wertminderung schon jetzt, da der Käufer die zu erwartenden Sanierungskosten vom Kaufpreis abzieht.“
Ein weiterer Anwohner schlug vor, die Baumaßnahme herauszuschieben, um auf eine politische Lösung zu warten. Das aber wurde von den Verwaltungsexperten der Stadt Mettmann unter Hinweis auf den schlechten baulichen Zustand des Düsselrings abgelehnt.
Das letzte Wort über die mehr oder weniger luxuriöse Sanierung des Düsselrings in Mettmann wird wohl das Verwaltungsgericht sprechen müssen. Es sei denn, die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung Ina Scharrenbach kommt nächstes Jahr bei ihrer „Heimat-Tour 2019“ doch noch in Mettmann vorbei, um sich die Sorgen der betroffenen Bürger anzuhören und diese dann in die Arbeit der Landesregierung einzubringen.