Kirchliche Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern bei einer erneuten Heirat nicht kündigen, wenn deren Religion für die Tätigkeit nicht wesentlich ist. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am heutigen Mittwoch in Erfurt.
Ein der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus darf seine Beschäftigten in leitender Stellung nur dann nach ihrer Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, „wenn dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt“, entschieden Deutschlands oberste Arbeitsrichter. Dieses Urteil war mit Spannung erwartet worden und wird von Juristen als Grundsatzurteil im kirchlichen Arbeitsrecht eingestuft.
Keine Loyalitätspflichten verletzt
In dem Gerichtsverfahren ging es um die Kündigung eines katholischen Chefarztes an einer Düsseldorfer Klinik. Das zum Erzbistum Köln gehörende Krankenhaus fordert von ihren leitenden Angestellten „sich loyal und aufrichtig im Sinne des katholischen Selbstverständnisses“ zu verhalten. Diese Loyalitätspflichten hätte der Chefarzt erheblich verletzt, weil er ein zweites Mal geheiratet hätte, ohne dass die erste Ehe annulliert worden wäre.
EuGH gibt die Richtung vor
In den Vorinstanzen war der Arzt mit seiner Kündigungsschutzklage erfolgreich. Doch das Bundesverfassungsgericht war anderer Meinung und hob das Urteil der Arbeitsgerichtsbarkeit auf. Das BVerfG begründete dies mit dem „Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“. Das Bundesarbeitsgericht wandte sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Nach dessen Entscheidung musste das Bundesarbeitsgericht den Fall erneut aufgreifen und die neue Entscheidung fiel zugunsten des gekündigten Chefarztes aus.
Aus der Entscheidung des Gerichts:
Die Beklagte ist Trägerin von Krankenhäusern und institutionell mit der katholischen Kirche verbunden. Der katholische Kläger war bei ihr als Chefarzt beschäftigt. Den Dienstvertrag schlossen die Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23. September 1993 (GrO 1993). Nach deren Art. 5 Abs. 2 GrO 1993 handelte es sich ua. beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Der Kläger war nach katholischem Ritus verheiratet. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete er im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. September 2009. Hiergegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Über ein in diesem Verfahren ergangenes Vorabentscheidungsersuchen des Senats zum Inhalt und zur Auslegung des Unionsrechts hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 11. September 2018 (- C-68/17 -) entschieden.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Mit seiner Wiederverheiratung verletzte dieser weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung der Beklagten. Die Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien, mit der die GrO 1993 in Bezug genommen wurde, ist gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt ist. Diese Regelung benachteiligte den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.
Nationales Verfassungsrecht (vgl. dazu BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 -) steht dem nicht entgegen. Das Unionsrecht darf die Voraussetzungen, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten. Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG seine Kompetenz nicht überschritten. Es handelt sich nicht um einen „Ultra-Vires-Akt“ oder einen solchen, durch den die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührt wird.
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Quelle: PM BAG v. 20.2.2019 Az.: 2 AZR 746/14
Urteil vom 20. Februar 2019
Vorinstanz: LAG D-dorf, Az: 5 Sa 996/09 –