Gute Nachrichten vom Arbeitsmarkt. Die Zahl der Erwerbstätigen ist im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent gestiegen. Politik und Wirtschaftsinstitute interpretieren die Zahlen aber unterschiedlich.
Laut statistischem Bundesamt (destatis) waren im Jahresdurchschnitt 2018 rund 44,8 Millionen Personen in Deutschland erwerbstätig. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg gegenüber 2017 um 1,3 Prozent (562 000 Personen). Damit setzte sich der seit 13 Jahren anhaltende positive Trend am Arbeitsmarkt fort.
Migranten helfen Wohlstand zu sichern
Das Zahlenmaterial des Bundesamtes bietet interessante Erkenntnisse. Demnach hat der Dienstleistungssektor am stärksten zum Anstieg beigetragen. Hier gab es einen Zuwachs von 1,2 Prozent (384.000 Personen) gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Erwerbslosen ging um 8 Prozent auf ca. 1,5 Millionen zurück.
Insbesondere die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte glich negative demografische Effekte aus, sodass 2018 die höchste Beschäftigungszahl seit der Wiedervereinigung erreicht wurde.
Zahl der Selbstständigen stagniert
Während die Zahl der Arbeitnehmer erstmals auf über 40 Millionen anstieg, sank die Zahl der Selbstständigen um 1,8 Prozent auf 4,22 Millionen. Damit hat sich deren Anzahl über einen Zeitraum von 15 Jahren nur unwesentlich erhöht ( 2003 waren es 4,2 Millionen gewesen).
Arbeitsminister erwartet Lohnerhöhungen
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erwartet für 2019 kräftige Lohnerhöhungen. „Wir hatten zuletzt erfreuliche Tarifabschlüsse, die der guten Konjunktur gefolgt sind,“ so der Minister gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Allerdings hätten bisher nicht alle Beschäftigten von der guten Lage profitiert. „In einigen Branchen – zum Beispiel bei vielen Dienstleistungen – sind die Löhne weiterhin ungeheuer niedrig. Das gilt auch für die Pflege“, so der SPD-Politiker.
Heil kritisiert fehlende Tarifbindung
Insbesondere der Rückgang der Tarifbindung beschäftigt den Bundesarbeitsminister. Nur noch 50 Prozent der Firmen in Deutschland seien tarifgebunden. „Das hat ganz konkrete, negative Auswirkungen auf das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten“, so Hubertus Heil.
DIW: Armutsrisiko trotz Wirtschaftsboom
Während der Arbeitsminister goldene Zeiten für die Beschäftigten prophezeit, warnt DIW-Chef Marcel Fratscher im Tagesspiegel vor zuviel Euphorie. Nach seiner Meinung profitieren weite Teile der Bevölkerung nicht vom jahrelangen wirtschaftlichen Boom. „Jeder fünfte Beschäftigte arbeitet im Niedriglohnsektor“, so der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Darunter seien auch viele gut Qualifizierte. Oft treffe es Frauen in Teilzeit, aber auch Menschen in strukturschwachen Regionen.
„In Deutschland nimmt die regionale Ungleichheit zu“, stellt Fratzscher fest. Die Löhne seien auch deshalb so niedrig, weil es in vielen Niedriglohnbereichen keine ausreichende gewerkschaftliche Vertretung gibt.
Auch DIW kritisiert fehlende Tarifbindung
„Man müsste die Sozialpartner, also Gewerkschaften und Arbeitgeber, notfalls zwingen, Tarifverträge abzuschließen“, forderte der DIW-Chef. Die Beschäftigten seien bislang zu oft auf sich allein gestellt. Die Politik habe aber die oberste Verantwortung. „Sie muss beispielsweise dafür sorgen, dass Bildungschancen gleicher verteilt sind, alle eine ausreichende Qualifizierung erhalten und Frauen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen“, sagt Fratzscher.
.
R.B., destatis, dts