Ein unabhängig erstelltes Rechtsgutachten bescheinigt dem vorliegende Entwurf des 2. Corona-Nachtragshaushaltes mehrere verfassungsrechtliche Mängel. Erstellt hat das Gutachten der renommierte Verfassungsrechtler Professor Dr. Christoph Gröpl aus Saarbrücken im Auftrag des Bundes der Steuerzahler (BdSt)
Der Nachtragsetat widerspricht mehreren verfassungsrechtlichen Haushaltsgeboten sagt der BdSt und verweist auf das aktuelle Gutachten. „Sowohl die Höhe als auch die Verwendungszwecke dieser enormen Neuverschuldung verstoßen mehrfach gegen das Grundgesetz. Das ist ein offenkundiger Missbrauch der Schuldenbremse“, sagt BdSt-Präsident Reiner Holznagel, der bereits Mitte Juni den von der Regierung vorgelegten 2. Nachtragshaushalt 2020 wegen der hohen Netto-Kreditaufnahme von 218,5 Milliarden Euro als „verfassungsrechtlich problematisch“ kritisiert hatte. Holznagel fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, den Gesetzentwurf zu stoppen und zu ändern.
Steuermilliarden werden „gebunkert“
„Die Konjunkturpakete und eine maßvolle Neuverschuldung sind in der Krise offensichtlich unvermeidbar“, meint Holznagel, der die, über die Corona-Notlage hinausgehende, Neuaufnahme von Schulden kritisiert. Nach Meinung des BdSt versucht die Regierung auf diese Weise Steuermilliarden in Nebenhaushalten „zu bunkern“, um damit künftige Prestigeprojekte zu finanzieren. Das aber sei verfassungswidrig.
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Hauptkritikpunkt des Steuerzahlerbundes ist das Aushebeln der Schuldenbremse im Grundgesetz. Doch es geht in dem Saarbrücker-Gutachten, das auf der Internetseite des Steuerzahlerbundes abgerufen werden kann, noch um weitere Punkte:
Daueraufgaben ohne Kredit-Finanzierung
Im Rahmen des Konjunktur- und Zukunftspakets sollen über den Nachtragshaushalt Maßnahmen finanziert werden, die in keinem unmittelbaren Veranlassungszusammenhang mit der Corona-Notlage stehen. Genau diese Verknüpfung verlangt aber die grundgesetzliche Schuldenbremse! Geplant sind schuldenfinanzierte Rüstungsprojekte, Maßnahmen zur Digitalisierung der Bundesverwaltung und vor allem kreditfinanzierte Zuschüsse an diverse Sondervermögen des Bundes, vor allem an den Energie- und Klimafonds mit 26,2 Milliarden Euro – diese Zuschüsse sollen jedoch staatliche Daueraufgaben finanzieren, die es schon vor der Corona-Krise gab. Die nunmehr üppige Kreditfinanzierung von klimapolitischen Maßnahmen über Jahre hinweg ist verfassungswidrig, weil sie nicht der aktuellen grundgesetzlichen Notlage zuzuordnen sind und deshalb nicht mit Krediten finanziert werden dürfen, welche die reguläre Verschuldungshöhe der Schuldenbremse überschreiten.
Kreditfinanzierten Rücklagen verfassungswidrig
Die hohen kreditfinanzierten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an die Sondervermögen sollen primär dazu genutzt werden, um hohe Rücklagen zu bilden. Die übermäßig hohe Neuverschuldung 2020 dient also dazu, Milliarden Euro für künftige Projekte zu parken. Diese Praxis ist ein klarer Verfassungsverstoß, da sie den verfassungsrechtlichen Geboten der Wirtschaftlichkeit und Jährlichkeit offensichtlich widerspricht. Man nimmt keine Schulden auf, um damit für die Zukunft zu sparen!
Die Asylrücklage einsetzen
Der Bund verfügt derzeit bereits über Finanzreserven in Höhe von 48,2 Milliarden Euro – angesammelt in der sogenannten Asylrücklage. Diese Rücklage bestand bereits vor der Corona-Notlage. Ursprünglich wollte die Regierung 10,6 Milliarden Euro dieser Rücklage nutzen, um in diesem Jahr Defizite im Stammhaushalt gegenzufinanzieren. Jetzt will die Regierung die Asylrücklage komplett ungenutzt lassen und stattdessen corona-unabhängige Haushaltslöcher vollständig mit neuen Schulden finanzieren. Auch dieses Vorgehen ist verfassungswidrig, weil das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot und die aus der grundgesetzlichen Schuldenbremse resultierenden Pflichten zur Konsolidierung des Bundeshaushalts offen ignoriert werden. Käme die Asylrücklage – wie es das Grundgesetz vorschreibt – zum Einsatz, würde das zu einer spürbaren Verringerung der Netto-Neuverschuldung führen.
Tilgungsplan als Gesetz beschließen
Für den Plan zur Rückzahlung der horrenden Corona-Schulden – einen solchen Tilgungsplan schreibt die Schuldenbremse verpflichtend vor – will der Bundestag lediglich einen einfachen Parlamentsbeschluss fassen. Danach sollen ab 2023 – über 20 Jahre hinweg – jährlich bis zu rund 6 Milliarden Euro der neuen Corona-Schulden wieder abgebaut werden. Ein bloßer Parlamentsbeschluss ist aufgrund der Tragweite dieser hohen Neuverschuldung allerdings zu wenig, schließlich wird der Bundeshaushalt über Jahrzehnte mit hohen Tilgungsverpflichtungen belastet. Um keinen Konflikt mit dem Grundgesetz zu provozieren ist, nach Ansicht des BdSt, ein Gesetzgebungsverfahren der bessere Weg.
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Quelle: PM des BdSt vom 29.6.2020