Der auf Internet- und Datenschutz spezialisierte Berliner Jurist Niko Härting wirft dem Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen (NRW) im Fall Tönnies einen massiven Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vor.
Professor Härting vermißt in diesem Fall ein Einschreiten der Landesbeauftragten für den Datenschutz. Zu der Bewertung eines ministeriellen Erlasses durch die Datenschutzbehörde sagte der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin lehrende Jurist dem Nachrichtenportal t-online: Das hat „mehr mit Lyrik als mit Jura zu tun“.
Beschäftigtenliste an Pflegeeinrichtungen verteilt
Der Grund der Aufregung: Das Gesundheitsministerium hatte während des Corona-Ausbruchs in einem Schlachthof von Tönnies per Erlass die gesamte Adressliste aller 7.400 Beschäftigten an Hunderte Pflegeeinrichtungen in den Regierungsbezirken Detmold, Münster und Arnsberg weiterleiten lassen. Aus dem Excel-Dokument wurden nur die Namen entfernt – Rückschlüsse auf einzelne Personen waren aber aber leicht möglich. Denn die Pflegeeinrichtungen wurden von den Gesundheitsbehörden angewiesen, die Adressen mit den Anschriften ihrer Beschäftigten abzugleichen.
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Experte Härting kommt zu dem Schluss: „Das ist ein juristisches Armutszeugnis, völlig ohne schlüssige Argumentationslinie.“ Als Rechtsgrundlage der Maßnahme werde Paragraph 43 Wohn- und Teilhabegesetz herangezogen. „Das ist aber eine reine Zuständigkeitsvorschrift – das sagt über Datenschutz gar nichts aus.“
Ministerium sieht sich im Recht
Auch die Deutsche Vereinigung für Datenschutz liest in der Bewertung „zwischen den Zeilen, dass das Vorgehen aus Datenschutzsicht nicht in Ordnung war“. Das erklärte ihr Sprecher, Thilo Weichert, gegenüber t-online. Er vermutet, daß das Vorgehen gegen den Corona-Ausbruch bei Tönnies nicht allzu kritisch unter die Lupe genommen werden sollte. Laut Gesundheitsministerium war diese Maßnahme durch das Infektionsschutzgesetz und das Wohn- und Teilhabegesetz gedeckt. Die DSGVO hätte einer Verteilung der Adresslisten an die Pflegeeinrichtungen nicht im Wege gestanden.
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Quelle: dts-Nachrichtenagentur