Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Anstieg der Netzentgelte bei Strom und Gas verhindert. Durch die Zurückweisung einer Beschwerde der Netzbetreiber entlastet er die Verbraucher in Milliardenhöhe und bestätigt seine bestehende Rechtsauffassung.
Lieferanten von Gas und Elektrizität müssen an die Betreiber der von ihnen benutzten Netze , wie bei der Autobahn-Maut, eine Gebühr bezahlen. Der Gesamtbetrag dieser „Transport-Entgelte“ darf eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Diese wird von der Bundesnetzagentur und der zuständigen Landesregulierungsbehörden im Voraus für einen bestimmten Zeitraum (die Regulierungsperiode) festgelegt.
Bei der Berechnung muss auch eine „angemessene“ Verzinsung des vom Netzbetreiber eingesetzten Eigenkapitals berücksichtigt werden. Die Höhe dieser Verzinsung legt die Bundesnetzagentur für jede Regulierungsperiode gesondert fest. Für die erste Regulierungsperiode lag er bei 9,29% ( Neuanlagen) und bei 7,56% ( Altanlagen). In der zweiten Regulierungsperiode waren es bei Neuanlagen 9,05% und bei Altanlagen 7,14%.
Für die laufende dritte Regulierungsperiode (Gas: 2018 bis 2022; Strom: 2019 bis 2023) hat die Bundesnetzagentur den Zinssatz auf 6,91% für Neuanlagen und 5,12% für Altanlagen festgelegt.
OLG-Richter bemängeln Berechnungsmethode
Gegen diese Entscheidung der Bundesnetzagentur legten viele Netzbetreiber Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf ein. Dieses hob daraufhin den Beschluss der Bundesnetzagentur auf. Für die OLG-Richter war die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur zwar grundsätzlich richtig, aber methodisch fehlerhaft.
Kritikpunkt war, dass die Bundesnetzagentur einen für die Bestimmung des Zinssatzes maßgeblichen Faktor – die so genannte Marktrisikoprämie – allein aus historischen Daten abgeleitet hat, ohne die Sondersituation des gegenwärtigen Marktumfelds zu berücksichtigen und eine um alternative Ansätze ergänzte Würdigung und Plausibilitätskontrolle durchzuführen.
Die Düsseldorfer Richter begründeten ihre Entscheidung unter anderem mit den momentan hohen Schwankungen am Aktienmarkt und den historisch niedrigen Zinsen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts legten sowohl die Bundesnetzagentur als auch die betroffenen Netzbetreiberin Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dieser hat in zwei getrennten Verfahren ( Gas und Elektrizität) am 9. April 2019 mündlich verhandelt.
Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs
In seinen am 9. Juli 2019 verkündeten Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Rechtsbeschwerde der Netzbetreiberin, die eine ihr noch günstigere Beurteilung anstrebte, zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat er die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben und die Festlegung der Bundesnetzagentur bestätigt.
Der Bundesgerichtshof hat seine zu früheren Regulierungsperioden ergangene Rechtsprechung bekräftigt, wonach der Bundesnetzagentur bei der Bestimmung des Zinssatzes, insbesondere bei der Wahl der dafür herangezogenen Methoden, in einzelnen Beziehungen ein Beurteilungsspielraum zusteht. Er ist dem Oberlandesgericht darin beigetreten, dass die von der Bundesnetzagentur gewählte Methode bei Anlegung dieses Maßstabs im Ausgangspunkt rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Abweichend vom Oberlandesgericht ist der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bundesnetzagentur aus Rechtsgründen nicht verpflichtet war, diese Methode im Hinblick auf historische Besonderheiten am Kapitalmarkt zu modifizieren oder den ermittelten Zinssatz einer ergänzenden Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die für den in Rede stehenden Zeitraum maßgebliche Situation sich als historisch einmalig darstellt, hält zwar der rechtlichen Überprüfung für sich gesehen stand. Aus den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Bundesnetzagentur gewählte Methode als solche nicht geeignet ist, diesen Besonderheiten angemessen Rechnung zu tragen, und deshalb eine zusätzliche Plausibilisierung geboten ist.
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Quelle: PM BGH vom 9.7.2019
Beschlüsse v. 9.7.2019 – EnVR 41/18 und EnVR 52/18