Grillen, Sägen, Froschgequake: Im nachbarschaftlichen Dramenzirkus werden immer häufiger Anwälte und Gerichte bemüht. Was der Nachbar darf und nicht darf, regelt in NRW seit Juni ein reformiertes Nachbarschaftsrecht. Doch damit herrscht noch lange nicht und überall Frieden am Gartenzaun.
WM-Zeit ist Grillzeit. Das wird für Nachbarn nicht selten zur Belastungsprobe. Doch wie oft im Jahr und bis wie viel Uhr abends im Garten gegrillt werden darf, ist gesetzlich nicht einheitlich festgelegt: in Berlin z. B. 20- bis 25-mal jährlich bis 21 Uhr für maximal zwei Stunden, im schleswig-holsteinischem Oldenburg dagegen viermal im Jahr ganztägig bis 24 Uhr.
Denn das Garten- und Nachbarschaftsrecht, im anwaltlichen Alltag eher unter dem Begriff Nachbarrecht gebräuchlich, ist Länderrecht, und jedes Bundesland besitzt dazu eigene Gesetzesbücher und Verordnungen. Wer in seinem Garten ohne amtliche Genehmigung und mit der eigenen Säge einen Baum fällt, kommt so in Mecklenburg-Vorpommern mit 50 bis maximal 5.000 € davon, kann aber in Niedersachsen mit einem Bußgeld zwischen 100 und 12.500 € belangt werden.
Maulwürfe und Marder haben ein Recht auf Garten und Auto
Auch wer aus Angst vor Bienenstich in seinem Garten oder auf dem Balkon einen Bienenstock zerstört, muss – wenn es ruchbar wird und zur Anzeige gelangt – in NRW oder Hessen bis zu 50.000 € Strafe zahlen, in Rheinland-Pfalz dagegen nur 5.000 €. Und auch wer mit Gift oder Wässern der Gänge dem rasenzerstörendem Maulwurf in seinem Garten den Garaus bereiten will, kommt im Saarland mit 5.000 € davon, während er in Brandenburg im Ernstfall 65.000 € berappen muss.
Bundesweit sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bestraft wird sogar, wer einen Marder (während der Schonzeit) fängt oder tötet, weil der in seinem Dachboden nistet und in der Garage die Autokabel zernagt. Wühlmäuse hingegen haben keine Lobby und können bundesweit straf- und bußgeldfrei nach Belieben gefangen und getötet werden.
Verkehrssicherungspflicht für Goldfischbecken
Generell gilt, dass ein Grundstückseigentümer für sämtliche Anlagen auf seinem Grundstück verkehrssicherungspflichtig ist und damit auch für Schäden haftet, die sich Fremde auf seinem Grundstück zuziehen. Z.B. wenn Nachbars Kinder heimlich über den Gartenzaun klettern, in seinen Goldfischteich fallen und dort zu Schaden kommen. Da wird der Garten zum öffentlichen Verkehrsraum, und der Eigentümer haftet, wenn das Grundstück nicht ordnungsgemäß gegen das Betreten Dritter abgesichert ist. Und das, obwohl es generell keine gesetzlich vorgeschriebene Einzäunungspflicht gibt.
Wenn es allerdings darum geht, wie hoch und wie beschaffen der Zaun oder die Grenzhecke um den Garten sein dürfen, dann gelten auch hier nicht selten im Grunde die Vorschriften des deutschlandweiten Bundeskleingartengesetzes (BKleinG), sofern sie mit den Vorschriften der Landesbauordnung nicht kollidieren. Dabei werden Grundstücksgrenzen zwischen Nachbarn einerseits und zwischen Grundbesitzern und dem öffentlichen Verkehrsraum andererseits unterschieden.
Lärmbelästigung durch Junghähne und Laubbläser
Voll im Trend liegt die Hühnerhaltung im eigenen Garten. Die neue Lust an den eigenen Eiern führt aber auch nicht selten zum Nachbarschaftsstreit, wenn der Junghahn allmorgendlich um 5 Uhr früh das Krähen übt und seine Hühner dann den ganzen Tag gackern lässt. Zivilrechtlich gegen Hobby-Hühnerhalter vorzugehen, ist für genervte Nachbarn allerdings schwierig, und der Richter wird das Verfahren in der Regel wegen Geringfügigkeit einstellen bzw. den Beteiligten eine Mediation anraten.
Klare Ansagen gibt es dagegen für den Einsatz von Rasenmähern sowie den besonders geräuschintensiven Laubbläsern und Graskantenschneidern. Hier gelten länderübergreifend die Richtlinien der Geräte-und Maschinenlärmschutzverordnung. Danach sind Rasenmäher ausschließlich werk-und samstags zwischen 7 bis 20 Uhr erlaubt, Laubbläser und Graskantenschneider sogar nur von 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr. Und sonn-und feiertags gilt ein generelles Verbot, nicht nur fürs Laublasen, sondern auch und vor allem für motorbetriebenes Rasenmähen.
Naturschutz kommt vor Nachbarschutz?
Fühlen sich Nachbarn durchs Rasenmähen außerhalb der erlaubten Zeiten gestört, können sich Eigentümer beim Ordnungsamt und Mieter bei ihrem Vermieter beschweren und sogar ihre Miete mindern. Grundsätzlich gilt jedoch: Für Haus-und Wohnungseigentümer gelten die gleichen Regeln wie für Mieter. Und für nachbarschaftliche Konflikte sind in der Praxis die landesgesetzlichen Regelungen von erheblich größerer Bedeutung als die bundesgesetzlichen Regelungen.
Auch deshalb kommt dem soeben im Juni verkündeten neuen Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen besondere Bedeutung zu, weil es auch bisher zu wenig berücksichtigten Streitfragen im nachbarschaftlichen Mit-und Gegeneinander Rechnung trägt und auch für die Gesetzgebung anderer Bundesländer nicht ohne Wirkung sein dürfte (Stichwort: Toleranz gegenüber Behinderten in der Nachbarschaft, Duldung von Mobilfunkanlagen des Nachbarn und Videoüberwachung).
Doch die besten landesgesetzlichen Regelungen helfen nicht weiter, wenn z.B. die Frösche quaken und sich dabei aufs Bundesnaturschutzgesetz berufen können. So hatte ein Eigentümer auf einem Grundstück einen kleinen Gartenteich angelegt, in dem sich Frösche angesiedelt hatten. Deren Gequake störte einen Nachbarn, der deshalb vor Gericht die Beseitigung des Froschteiches begehrte. Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte am Ende zwar den Beseitigungsanspruch des Nachbarn, wonach der Teichbesitzer im Prinzip verpflichtet sei, die nicht ortsübliche Lärmeinwirkung zu beseitigen. Gleichzeitig stellten die Richter aber fest, dass dieser Beseitigungsanspruch im Gegensatz zum Bundesnaturschutzgesetz stehe, das u. a. die Vertreibung und Tötung von Fröschen verbietet. Erst wenn nach dem Bundesnaturschutzgesetzt eine Ausnahmeregelung für die Beseitigung der Frösche vorliege, sei eine Verurteilung des Teichbesitzers zur Lärmabwehr möglich. Andernfalls sei der Froschlärm nicht rechtswidrig , weil die Verhinderung naturschutzrechtlich verboten sei.