Die Warnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor der Nutzung von Virenschutzsoftware der Firma Kaspersky ist rechtmäßig. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land NRW in Münster am Donnerstag (27.4.) entschieden und damit die Beschwerde der deutschen Tochtergesellschaft von Kaspersky gegen den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1.4.2022 abgelehnt.
Das BSI gab am 15.3.2022 eine Warnung vor der Virenschutzsoftware des Herstellers Kaspersky heraus. Virenschutzsoftware sei ein exponiertes Ziel von offensiven Operationen im Cyberraum. Das Vorgehen militärischer und/oder nachrichtendienstlicher Kräfte in Russland sowie die im Zuge des aktuellen kriegerischen Konflikts jüngst von russischer Seite ausgesprochenen Drohungen gegen die EU, die NATO und die Bundesrepublik Deutschland seien mit einem erheblichen Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs mit weitreichenden Konsequenzen verbunden.
Durch Manipulationen an der Software oder den Zugriff auf bei Kaspersky gespeicherte Daten könnten Aufklärungs-oder Sabotageaktionen gegen Deutschland, einzelne Personen oder bestimmte Unternehmen oder Organisationen durchgeführt oder zumindest unterstützt werden. Alle Anwender der Virenschutzsoftware könnten je nach ihrer strategischen Bedeutung von einer schädigenden Operation betroffen sein.
Empfohlen wurde, die Virenschutzsoftware des Unternehmens Kaspersky durch alternative Produkte zu ersetzen, wobei zu einer individuellen Bewertung und Abwägung der aktuellen Situation geraten werde. Gegen diese Empfehlung klagte das deutsche Tochterunternehmen, das die Virenschutz-Software in Deutschland vertreibt, erfolglos beim Verwaltungsgericht in Köln. Jetzt sollte das Oberverwaltungsgericht in Münster die Kölner Entscheidung revidieren. Doch auch dieser Eilantrag war erfolglos.
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Aus der Begründung des Gerichts
Zur Begründung seines Beschlusses hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die Warnung und Empfehlung ist nach § 7 Abs. 1 und 2 BSIG rechtmäßig. Die Vorschrift verlangt als Voraussetzung hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund einer Sicherheitslücke von einem Produkt Gefahren für die Sicherheit in der Informationstechnik ausgehen. Bei Virenschutzprogrammen bestehen schon aufgrund ihrer Funktionsweise Sicherheitslücken im Sinne des Gesetzes. In der Vergangenheit
hat es zahlreiche Vorfälle bei allen Herstellern von Virenschutzprogrammen gegeben, in denen Fehlfunktionen IT-Systeme blockiert haben und Daten unbemerkt an den Hersteller übertragen worden sind. Nach den Erkenntnissen des BSI kann die system-bedingte Berechtigung zum Zugriff auf die – eigentlich durch das Virenschutzprogramm zu schützende – IT-Infrastruktur für maliziöse Aktivitäten missbraucht werden. Es liegen nach den vom BSI zusammengetragenen Erkenntnissen auch hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Nutzung der Virenschutzsoftware von Kaspersky derzeit eine Gefahr für die Sicherheit in der Informationstechnik besteht. Die Annahme des BSI, das Vorgehen militärischer und/oder nachrichtendienstlicher Kräfte in Russland sowie die in diesem Kontext ausgesprochenen Drohungen auch gegen die Bundesrepublik Deutschland seien mit einem erheblichen Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs mit weitreichenden Konsequenzen gerade unter Verwendung der Virenschutzsoftware von Kaspersky verbunden, beruht auf hinreichenden Erkenntnissen zur aktuellen Cybersicherheitslage.
Das BSI hat ferner die in der Vergangenheit dokumentierte Einflussnahme der russischen Regierung auf die in Russland agierenden IT-Unternehmen, insbesondere auch auf Kaspersky, berücksichtigt. Es hat daraus nach-vollziehbar gefolgert, dass hinreichende Anhaltspunkte für die Gefahr bestehen, die russische Regierung werde auch im Rahmen des von ihr geführten Angriffskriegs auf die Ukraine russische Softwareunternehmen zur Durchführung eines Cyberangriffs nicht nur auf ukrainische, sondern auch auf andere westliche Ziele instrumentalisieren. Die Sicherheitsvorkehrungen, die Kaspersky getroffen hat, genügen in der aktuellen Situation nicht, um den Bedrohungen hinreichend entgegenzuwirken.
Das BSI hat die Entscheidung, die Warnung herauszugeben, ermessensfehlerfrei ge-troffen und dabei insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Warnung ist nicht aufgrund sachfremder Erwägungen oder gar willkürlich herausgegeben worden. Insbesondere war sie nicht politisch motiviert und stellt keine reine Symbolpolitik dar. Angesichts der aufgezeigten Bedrohungslage dient sie allein dazu, das Risiko von Angriffsmöglichkeiten auf die Sicherheit in der Informationstechnik zu reduzieren. Hierzu war sie geeignet und erforderlich. Mit der Warnung erhöht das BSI signifikant das Bewusstsein für potentiell mögliche Gefahren, die sich aus dem Einsatz der Virenschutzprogramme von Kaspersky aktuell ergeben und empfiehlt nach individueller Risikobewertung einen Ersatz durch alternative Produkte. Zugleich hat es die Warnung unter Beachtung des Zurückhaltungsgebots formuliert und auf das Erforderliche beschränkt.
Aktenzeichen: 4 B 473/22
Der Beschluss ist unanfechtbar.
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Quelle: OVG NRW vom 28.4.2022