Wer aus religiösen Gründen einen Turban trägt, ist deshalb nicht von der Helmpflicht beim Motorradfahren befreit. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am Donnerstag (4.7.).
Der Kläger beantragte im Juli 2013 bei der Stadt Konstanz eine Ausnahmegenehmigung, die ihn von der Schutzhelmpflicht beim Motorradfahren befreit. Diese Pflicht verletze seine vom Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. Als Sikh sei er aus religiösen Gründen verpflichtet, einen Turban zu tragen.
Die Stadt Konstanz lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5b StVO könne nur aus gesundheitlichen Gründen erteilt werden. Jetzt klagte der Mann beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Aber das Gericht gab der Stadt Recht.
Der motorradfahrende Sikh gab nicht auf und legte Widerspruch gegen diese Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein und der zeigte Verständnis.
Die Richter des Verwaltungsgerichtshofes verpflichteten die Stadt Konstanz, den Antrag des Mannes erneut zu prüfen und dann zu entscheiden. Das Gericht war der Ansicht, eine Ausnahme könne auch aus religiösen Gründen in Betracht kommen.
Behördliches Ermessen war gegeben
Eine unmittelbare Verpflichtung der Stadt zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung lehnte der Verwaltungsgerichtshof aber ab. Die Glaubensfreiheit führe nicht zu einem generellen Überwiegen der Interessen des Klägers gegenüber der ebenfalls grundrechtlich gewährleisteten körperlichen und psychischen Unversehrtheit Dritter, die durch die Helmpflicht geschützt werden solle. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null komme allenfalls in Betracht, wenn der Antragsteller auf die Nutzung des Motorrads zwingend angewiesen sei. Das sei beim Kläger aber nicht der Fall.
Dieses Urteil stellte den klagenden Motorradfahrer nicht zufrieden und er legte deshalb beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Revision ein. Heute nun entschieden die obersten deutschen Verwaltungsrichter in der Turbanfrage und wiesen die Revision ab.
Begründung des Bundesverwaltungsgerichts:
Die Revision des Klägers, mit der er über die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung hinaus die Erteilung der Ausnahmegenehmigung erreichen will, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die in § 21a Abs. 2 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, kann den Kläger als gläubigen Sikh mittelbar in seiner Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigen. Er wird hierdurch zwar nicht an der Praktizierung seines Glaubens gehindert; bei der Befolgung der von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundenen Pflicht zum Tragen eines Turbans muss er aber auf das Motorradfahren verzichten. Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen, weil sie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter dient. Die Helmpflicht soll nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. Sie können durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden. Ein durch Helm geschützter Motorradfahrer wird zudem im Fall eines Unfalls eher in der Lage sein, zur Rettung anderer Personen beizutragen, etwa indem er die Unfallstelle sichert, Ersthilfe leistet oder Rettungskräfte ruft. Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann daher allenfalls bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann. Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger, der über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Pkw verfügt und einen Lieferwagen besitzt, nicht dargelegt.
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Quelle: PM BVerwG vom 4.7.2019
Urteil vom 4. Juli 2019 – BVerwG 3 C 24.17 –