„Bisher haben 20 EU-Länder eine Art Notstandsgesetzgebung verabschiedet, um die Coronakrise erfolgreich zu bekämpfen und die notwendigen Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und den Schutz der Menschen gegen das Virus durchsetzen zu können“, sagt die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova.
Auf lange Sicht besteht die Gefahr, dass die Demokratie durch diese Maßnahmen geschwächt wird, warnt die Kommisarin in der „Welt“. In dem Gespräch sagte sie: „Darum ist Kontrolle in diesem Moment so wichtig.“ Eine demokratische Balance ist, ihrer Meinung nach, weiterhin dringend erforderlich. „Das Coronavirus darf die demokratische Ordnung nicht killen“, sagt Jourova.
Kommission kontrolliert EU-Vertrag
Die EU-Kommission untersucht derzeit in allen betroffenen Ländern die Notfallmaßnahmen und prüft, ob sie gegen demokratische Grundwerte (Artikel 2, EU-Vertrag) verstoßen. „Wenn das der Fall sein sollte, werden wir einschreiten“, so Jourova, Die Notstandsgesetze in den EU-Ländern seien je nach Land meist befristet auf einen Zeitraum von 30 bis 90 Tagen.
Bedenken bei Ungarn
„Für eine Verlängerung der eingeschränkten Grundrechte müssen die Regierungen dann jeweils sehr starke Argumente gegenüber den Parlamenten haben.“ Mit Blick auf die umstrittene Notstandsgesetzgebung in Ungarn sagte die Vicechefin der EU.Kommission der Zeitung: „Wir müssen das Gesetz und seine Anwendung nun erst einmal im Detail analysieren. Ich habe aber meine Bedenken, was die Zeitbegrenzung und eine effektive parlamentarische Kontrolle angeht.“
Droht eine Corona-Zensur?
Zudem bestehe „die Gefahr, dass es bei der Berichterstattung über die Coronakrise durch die Medien zu einer Zensur kommen könnte“. Die Kommission werde sich nun genau anschauen, wie das Gesetz in der Praxis angewendet wird. „Es wäre schlimm, wenn die Kontrolle der Regierung durch Medien und Parlament, also der Vertretung des Volkes, keine Rolle mehr spielen würde.“ Man werde genau verfolgen, wann die Maßnahmen in Ungarn beendet würden.
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„Ich erwarte von der Regierung, dass das in naher Zukunft passieren wird. Dann ist der Moment der Wahrheit gekommen“, so Jourova. Sie habe vor Verabschiedung der umstrittenen Notstandsgesetze in Budapest ihre Bedenken gegenüber Justizministerin Judit Varga zum Ausdruck gebracht und sie „in einem sehr langen Gespräch zu überzeugen versucht, die umstrittenen Passagen zu überdenken und zu ändern“.
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Quelle: dts-Nachrichtenagentur