Der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mußte sich mit der Frage beschäftigen, ob bei einer durch die Pandemielage in England stornierten Klassenfahrt der Reisepreis zurückverlangt werden kann.
Geklagt hatte eine Schulträger-Stiftung aus Niedersachsen. Anfang 2020 buchte eine Lehrerin der Schule eine Klassenfahrt nach Liverpool vom 15. März bis zum 21. März 2020. Den Reisepreis von fast 10.000 Euro zahlte die Stiftung im Voraus an den Reiseveranstalter. Am 12. März 2020 stornierte die Lehrerin die gebuchte Reise wieder, da die Pandemie-Entwicklung in dem Reiseland besorgniserregend war.
Der Reiseveranstalter erstattete daraufhin lediglich 1.000 von den gezahlten knapp 10.000 Euro Reisepreis. Daraufhin klagte die Stiftung auf Rückzahlung der gesamten Summe beim Landgericht (LG) in Detmold. Der Schulträger vertrat die Auffassung, dass durch die Covid19-Pandemie eine Situation vorgelegen habe, die zu einem entschädigungslosen Reiserücktritt berechtigt hätte.
Das Landgericht Detmold wie die Klage der Stiftung mit der Begründung ab, dass der Schulträger gegenüber dem Reiseveranstalter keine Rückzahlung des Reisepreises verlangen könne, da er nicht Vertragspartner des Reiseveranstalters gewesen sei. Das seien die Schülerinnen und Schüler gewesen, welche durch die Lehrerin vertreten worden seien. Gegen diese Entscheidung des Landgerichts legte die Stiftung Berufung beim OLG Hamm ein und das mit Erfolg.
.
Aus der Entscheidung des Gerichts
Entgegen der Auffassung des Landgerichts – so der Senat – sei zwischen der Stiftung und der Reiseveranstalterin ein Pauschalreisevertrag über eine Gruppenreise nach Liverpool zustande gekommen. Unter anderem die Umstände der Vertragsabwicklung und der außergerichtlichen Korrespondenz würden dafür sprechen, dass die Buchung auch aus der Sicht der Reiseveranstalterin nicht im Namen der Schülerinnen und Schüler oder ihrer Erziehungsberechtigen, sondern im Namen der Schule bzw. der hinter dieser stehenden hier klagenden Stiftung – als regelmäßig verlässlicher und solventer Vertragspartner – erfolgt sei.
Die Reiseveranstalterin müsse – wie der Senat weiter ausgeführt hat – den vollen Reisepreis an die Stiftung zurückzahlen. Mit der COVID-19-Pandemie habe eine erhebliche Beeinträchtigung – im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB – vorgelegen. Denn es habe ein konkretes Risiko für einen ernstlichen Gesundheitsschaden bestanden, weil in Liverpool als dem Zielort der Reise das Ansteckungsrisiko deutlich erhöht gewesen sei. Das Auswärtige Amt habe zwar erst am 17.03.2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie eine Reisewarnung für Reisen in das gesamte Ausland ausgesprochen.
Entscheidend sei aber insbesondere, dass zum Zeitpunkt der Stornierung am 12.03.2020 – nur drei Tage vor Reisebeginn – bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Virus SARS-CoV-2 um einen neuartigen Krankheitserreger handele, der akute Atemwegserkrankungen hervorrufe, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen könnten, ohne dass es eine Therapiemöglichkeit oder einen Impfstoff gegeben habe.
Darüber hinaus bestehe bei Schülerreisen die Erwartung der erziehungsberechtigten Eltern, dass die Schülerinnen und Schüler in einem sicheren Umfeld reisen könnten. Dagegen sei die Pandemielage im Reiseland England akut gewesen und die Wahrscheinlichkeit, sich auf der Reise bzw. am Reiseort mit dem Coronavirus zu infizieren, deutlich höher gewesen, als wenn die Schülerinnen und Schüler – bei bereits am 12.03.2020 konkret im Raum stehenden und am Folgetag beschlossenen Schulschließungen – zu Hause geblieben wären.
Urteil OLG Hamm vom 30.8.2021
Az. 22 U 33/21
.
Quelle: PM OLG Hamm v. 13.9.2021