Daten sind das Öl des Internetzeitalters. Jetzt wird um die Ölquellen, unsere persönlichen Daten, gekämpft. Es ist ein juristisch geführter Kampf um den Datenzugang, der zu massiven rechtlichen Problemen zwischen Europa und den USA eskalieren könnte.
Wer die Daten hat, der hat die Macht. Wer weiss, wie die Verbraucher ticken, der macht den Deal. Deshalb sind Spitzenvertreter der Wirtschaft auch zunehmend besorgt über den Einfluss, den die führenden Konzerne aus dem Bereich der Informationstechnologie haben. „Wenn ein Konzern wie Alibaba im Onlinehandel an einem „schwarzen Freitag“ fast doppelt so viel Umsatz macht wie ein großer deutscher Versandhändler im ganzen Jahr, dann zeigt das die Dimensionen, in denen wir denken müssen“, sagte Christian Sewing, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, der „Welt am Sonntag“. Das europäische Parlament sieht das Problem ebenfalls und hat deshalb eine umfassende Datenschutz-Regelung erlassen.
Europa stärkt den Datenschutz
Ab dem 25. Mai 2018 gilt europaweit die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen. Zum einen soll sie den Schutz personenbezogener Daten innerhalb der EU sicherstellen und außerdem den freien Datenverkehr innerhalb des EU-Binnenmarktes garantieren.
Zukünftig ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur mit Erlaubnis der betroffenen Personen zulässig, zum Beispiel: für die Erfüllung eines Vertrags oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, um lebenswichtige Interessen zu schützen oder für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt.
Für Datenschützer ist die neue Datenschutz-Grundverordnung ein Meilenstein, für die Internetkonzerne ein Ärgernis. Jetzt macht das US-Justizministerium mobil.
Der Kampf um die Datenhoheit
Der Oberste Gerichtshof der USA will bis zum Sommer entscheiden, ob eine US-Behörde von Unternehmen direkten Zugriff auf Personendaten verlangen kann, die außerhalb der USA gespeichert sind. Dieses Urteil könnte zur Gefahr für die Datensouveränität in Deutschland und Europa werden.
Innerhalb der Bundesregierung regt sich deshalb massiver Widerstand gegen diese Absicht. Hintergrund ist ein Rechtsstreit, in dem es um die Frage geht, ob die US-Regierung auf im Ausland gespeicherte Daten von Ausländern zugreifen kann, sofern sie Anbieter wie Microsoft nutzen.
„Das ist eine Besorgnis erregende Angelegenheit“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Ulrich Kelber (SPD), dem „Handelsblatt“. „Denn in der Tat besteht die Gefahr, dass dann auch andere Länder einen globalen Zugriff auf die Daten von Unternehmen haben wollen.“ Momentan sei der transatlantische Datenverkehr auf das „Aufrechterhalten eines ausreichenden Datenschutzniveaus der USA angewiesen“.
Transatlantischer Datenaustausch ist gefährdet
Der Fall Microsoft deute allerdings darauf hin, dass man sich darauf nicht mehr verlassen könne. „Damit ist das Grundprinzip des transatlantischen Datenaustauschs gefährdet“, so Kelber. „Wenn die US-Regierung in Datenschutzfragen nur die Einspruchsrechte von US-Bürgern duldet, dann ist das Privacy Shield tot.“
Denn eines müsse klar sein: Für Daten von EU-Bürgern in den USA müsse das gleiche Schutzniveau gelten wie in der EU. Das „EU-US-Datenschutzschild“ ist der Rechtsrahmen für den Datentransfer in die USA. Er legt Standards für den Umgang mit europäischen Informationen in den USA fest.
Sieg des US-Justizministeriums würde ins Chaos führen
Die Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU) nannte es „absolut nicht akzeptabel“, wenn per Gerichtsbeschluss Daten aus einem anderen Land abgegriffen werden könnten. „Wäre es das, würden wir in Zukunft auch kein Problem mehr damit haben, wenn China dies tun würde oder die Türkei, um an Daten von in Deutschland lebenden vermeintlichen Staatsfeinden zu gelangen“, sagte Bär dem „Handelsblatt“ und warnt: Ein juristischer Sieg des US-Justizministeriums würde „zum Chaos führen, weil Unternehmen dann gezwungen wären, entweder gegen Europäisches oder nationales Recht zu verstoßen oder das amerikanische Urteil zu missachten“.
EU-Parlamentarier appellieren an Supreme Court
In dem Brief an den Supreme Court machen EU-Parlamentarier klar, dass ein Datenzugriff in Europa mit der Grundrechte-Charta der Europäischen Union nicht vereinbar sei. Die Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte, etwa an eine Behörde, würde demnach einen „Eingriff in das Grundrecht der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens“ nach Artikel 7 der Charta bedeuten. Insbesondere die Offenlegung der elektronischen Kommunikation wäre als „besonders schwerwiegender“ Eingriff in dieses Grundrecht zu sehen. In der juristischen Stellungnahme der Europaabgeordneten wird betont, dass auch in diesem Fall EU-Recht greift.
Betroffene Personen könnten sich demnach auch dann auf europäisches Datenschutzrecht berufen, wenn ihre Daten bei einem Nicht-EU-Dienstleister wie Microsoft gespeichert sind. Außerdem, heißt es in dem Brief, habe der EuGH den Datenschutzgesetzen der EU einen besonders „weiten räumlichen Anwendungsbereich“ zugestanden, um eine Umgehung der geltenden Regeln zu verhindern.
Der Innen- und Justizexperte der EU-Grünen Jan Philipp Albrecht warnte vor den Folgen, sollte der Supreme Court auf die Anwendbarkeit von US-Recht auf Microsofts EU-Daten bestehen. Dann wäre dies „das Ende des Internets, wie wir es heute kennen“, sagte Albrecht dem „Handelsblatt“.
Quellen: R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur