Nein, Verkehrsminister Scheuer ist nicht zu beneiden. Dieselaffaire, Probleme bei der Umsetzung der Pkw-Maut und jetzt auch noch Ärger mit der Bundesbahn.
Der Fahrgastverband Pro Bahn macht die Politik für das aktuelle Bahnchaos verantwortlich.
Der langjährige Ehrenvorsitzende des Verbandes, Karl-Peter Naumann hat dazu eine klare Meinung: „Die Verantwortung für das Bahnchaos tragen zuerst die Verkehrsminister der vergangenen 15 Jahre“, sagte er der Rheinischen Post und weist auf die Versäumnisse beim Gleisausbau und fehlende Investitionen in die Stellwerkstechnik hin. Nach Meinung des Bahn-Experten besteht ein erheblicher Nachholbedarf.
„Für Störungsfälle brauchen wir zudem bessere Backup-Techniken, wie es sie etwa in der Schweiz gibt. Fällt dort mal ein Stellwerk aus, übernimmt ein anderes und die Züge rollen weiter“, so Naumann. Der Experte blickt besorgt in die Zukunft der Bahn: „Der Deutschlandtakt braucht noch 20 Jahre, da darf der Minister den Bahnkunden keine falschen Versprechungen machen. Bis dahin müssen die Menschen wohl leider weiterhin viele Verspätungen in Kauf nehmen“.
Bahn reduziert Pünktlichkeitsziele
Züge gelten bei der DB als pünktlich, wenn sie ihren Zielbahnhof weniger als sechs Minuten nach der im Fahrplan angegebenen Zeit erreichen. Damit schraubt die Bahn ihre Ambitionen deutlich zurück. Unter Bahnchef Rüdiger Grube und seinem Infrastrukturchef Volker Kefer, die beide das Unternehmen verlassen haben, waren 85 Prozent pünktliche Fernzüge das Fernziel. Ab diesem Wert erreichen nahezu alle Kunden ihren Anschlusszug. Gegen Ende der Ära Grube hatte man das Ziel auf 82 Prozent reduziert, inzwischen ist die tatsächliche Quote im freien Fall. Tiefpunkt war der August 2018 mit 69,8 Prozent pünktlichen Fernzügen.
Laut internen Plänen der Deutschen Bahn (DB), die der „Welt“ vorliegen, sollen die ICEs, IC- und EC-Züge im laufenden Jahr zu 76,5 Prozent pünktlich ihre Zielbahnhöfe erreichen. 2014 lag die Quote bei 74,9 Prozent.
Eine Quote von 81 Prozent hält der Vorstand laut Zeitung erst in rund fünf Jahren für möglich, wenn die Bahn viele neue Züge bekommt und sich das Baustellenmanagement verbessert hat.
Oposition: Scheuer ist Schuld
Die Freien Demokraten werfen Scheuer „schuldhaftes Zögern“ vor. „Statt den Bahn-Vorstand zum Frühstück einzuladen, muss Verkehrsminister Scheuer seine Rolle als Eigentümer der Bahn endlich nutzen, um den staatlich bestellten Top-Managern Dampf zu machen“, sagt Marco Buschmann, der parlamentarischer Geschäftsführer der FDP. „Scheuers schuldhaftes Zögern führt dazu, dass ein über Jahre gewachsener Investitionsstau weiterhin nicht gelöst werden wird“, so Buschmann gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Für ihn ist Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla der falsche Mann. Der trage seit vier Jahren Verantwortung in der Konzernspitze: „Wer Ronald Pofalla nun ernsthaft zum Krisenmanager berufen will, macht den Bock zum Gärtner“.
Auch für den früheren Grünen-Chef Cem Özdemir hat Minister Scheuer und die CSU eine Mitschuld an den Problemen der Deutschen Bahn. „Wer über Probleme bei der Bahn spricht, darf über fast zehn Jahre CSU-geführtes Verkehrsministerium, Retro-Straßenbaupolitik und einer systematischen Benachteiligung des Verkehrsträgers Schiene nicht schweigen.“ Auch unter Scheuer fehle es an einem schienenfreundlichen Klima in der Verkehrspolitik.
Der grüne Fraktionschef Anton Hofreiter fordert von der Bundesregierung, so schnell wie möglich selbst ein Konzept zur Modernisierung der Bahn vorzulegen. „Da die Bahn zu 100 Prozent dem Bund gehört, muss der Verkehrsminister selbst die langen Linien vorgeben“, so Hofreiter gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Das Schienennetz gehört laut Hofreiter unmittelbar in staatliche Hand.
Die Grünen verlangen deutlich mehr Investitionen. Die Ausgaben für die Bahn sollten verdoppelt, mittelfristig sogar vervierfacht werden. Laut Hofreiter wird Bahnfahren nur durch ein übersichtlicheres, einfacheres Ticketsystem und mehr Verbindungen attraktiver.
Grüne kritisieren hohe Beraterkosten
Die Grünen wollen den Einsatz externer Berater für Verkehrsprojekte einschränken. „Die Berateritis im Verkehrsministerium muss ein Ende haben“, so der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, gegenüber RND. „Es ist völlig inakzeptabel, dass über Jahre Hunderte Millionen Euro an Berateraufträgen vergeben wurden, ohne dass die Wirtschaftlichkeit geprüft wurde.“
Kühn erinnert daran, dass die Regierung gehalten ist, sparsam mit Steuergeldern umgehen. „Zudem kann Verkehrsminister Scheuer auf einen umfassenden Beamtenapparat in seinem Ministerium zurückgreifen“, so der Grünenpolitiker.
Die Grünen wollen jetzt im Verkehrsausschuss des Parlaments einen Antrag stellen, der zukünftig höhere Hürden für den Einsatz externer Berater vorsieht.
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R.B., dts-Nachrichtenagentur