Ideen-Klauer und Firmen-Sammler machen global Jagd auf deutsche Technologien und (mittelständische) Unternehmen. Insider fordern verschärfte Prüfungsinstrumente gegen staatliche gelenkten Investitionen und vor allem eine wirksamer Bekämpfung der Wirtschaftsspionage.
Die ökonomischen Schäden, die in Deutschland allein durch Wirtschaftsspionage entstehen, beziffern sich auf über 50 Milliarden Euro jährlich. Um Patente, Brands und Designs deutscher Unternehmen endlich effizient zu schützen, hat das Bundesjustizministerium Ende März einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ (GeschGehG) auf den Weg gebracht. Während dieser noch in den betroffenen Ressorts der Bundesregierung zur Abstimmung kreist, warnen bereits Opposition und NGOs davor, dass der Entwurf Whistleblowern und Journalisten das Leben nur noch schwerer machen würde und diese schlechter schütze als es das EU-Recht verlange.
Gesetzentwurf soll EU-Richtlinie umsetzen
Denn die Aufdeckung von Geschäftsgeheimnissen sei nach dem (derzeitigen) Willen der Bundesregierung nur dann erlaubt, wenn diese von der nachweislichen Absicht geleitet sei, das öffentliche Interesse zu schützen. Das sei – so der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold – eine „unzulässige Einschränkung“, da Whistleblower oft auch aus eigenem Interesse handelten und damit dem Gemeinwohl trotzdem einen Dienst erwiesen, indem sie ein Fehlverhalten Ihres Arbeitgebers offenlegten.
Der Entwurf, der eine entsprechende EU-Richtlinie bis Ende 2018 endlich in deutsches Recht umsetzen soll, sieht zudem verschärften Schutz ausschließlich für Unternehmen vor, die ihre Geheimnisse auch wirklich aktiv schützen: Die Interna müssen dem Entwurf zufolge „Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahem durch ihre rechtmäßigen Inhaber“ sein. Nur dann können innovationsstarke deutsche Unternehmen Ansprüche bei Rechtsverletzungen europaweit durchsetzen und ein Verbot von Produkten verlangen, die mit illegalen Informationen verkauft und hergestellt wurden. Bis hin zum Rückruf und zur Vernichtung.
Was aber sind „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“? Und wie verträgt sich dieser forcierte und überfällige Geheimnisschutz mit dem 2017 eingeführten und jetzt einsehbaren Transparenzregister, in dem alle „wirtschaftlich Berechtigten“ von Unternehmen verzeichnet sind, die mehr als 25 Prozent der Kapital- und Stimmanteile an einer Unternehmung halten oder einen nachweislich operativen Einfluss haben?
Technologietransfer durch Ideen-Klau
Nach Auskunft des Bundesverwaltungsamtes sind im Transparenzregister derzeit weit über 50.0000 Gesellschafter eingetragen. Diese dürfen zwar beantragen, die Einsicht in ihre sensiblen Daten aus „schutzwürdigem Interesse“ zu beschränken. Von diesem wichtigen Recht haben aber bisher nur gut zwei Dutzend Gebrauch gemacht.
Wie sich hier juristische und wirtschaftliche Parameter folgenschwer vermischen und – nicht nur mit Blick auf China – (staatlich gelenkte) Wirtschaftsspionage staatlich gelenkten Investitionen den Weg bereitet, darüber machen sich renommierte Ökonomen wie Sebastian Heilmann, Gründungsdirektor des Mercator-Instituts für China-Studien in Berlin, zunehmend Sorgen und warnen vor einem Ausverkauf europäischer und allen voran deutscher Technologien und Marken: „Wollen wir zuschauen, wie Hochtechnologie aus Deutschland und Europa per Regierungsprogramm abgezogen wird?“, fragte er kürzlich in einem ZEIT-Interview.
Jagd auf „hidden Champions“
So sind auch Großanleger aus den USA wie z. B. Bruce Flatt und seine Investmentfirma Brookfield in Deutschland verstärkt auf Späh- und Einkaufstour – vor allem unter den sog. „hidden champions“, also deutschen mittelständischen Unternehmen, die in ihrer Marktnische weltweit führend sind. „Deutschland ist ein großartiger Standort. Da kann man wichtiges Know-how transferieren“, sagt Bruce Flatt und kann sich über das elektronische Transparenzregister freuen.
Familienunternehmen im Glashaus?
Eigentlich zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Steuerflucht gedacht, stellt es die Gesellschafter und ihre Familien nicht nur unter Generalverdacht, sondern macht eben auch ihre privaten und wirtschaftlichen Verhältnisse offen zugänglich. Denn das Recht auf Einsichtnahme in dieses „Who is How“ deutscher Unternehmer und Stifter beschränkt sich keinesfalls nur auf staatliche Institutionen, sondern gilt auch für Unternehmen und „sonstige Personen“. Und das können natürlich auch Personen mit durchaus verbrecherischen Absichten sein.
Risiko für Familienunternehmen
So lässt auch die hohe Zahl von Anträgen auf Einsichtnahme ins elektronische Transparenzregister „befürchten, dass der Schwerpunkt (…) darauf gelegt wird, die privaten Verhältnisse der Gesellschafter von Familienunternehmen auszuforschen“, gab der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Familienunternehmen, Brun-Hagen Hennerkes, jüngst dem Handelsblatt zu Protokoll. „Damit gehen für die Gesellschafter und ihre Familien erhebliche Sicherheitsrisiken einher.“
Doch gegen diese Bedrohung vorzugehen, bleibt hierzulande in allererster Linie Sache der betroffenen Unternehmen selbst. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) jedenfalls spielt den Ball weiter. Dort heißt es auf Anfrage: „Zu Fragen der Abwehr von Industriespionage wenden Sie sich bitte an das Bundesamt für Verfassungsschutz.“ Offensichtlich wird es Zeit, dass Deutschland hier effiziente Zuständigkeiten und ein zukunftsfähiges Strafrecht erhält und unsere Vorzeigeindustrien nicht länger durch Spione und (nicht immer ehrenwerte) Whistleblower in ihrer Existenz bedroht sind. Ein Stresstest für Gesetze wäre wohl auch an dieser Stelle zielführend.