Im großen Gefälle beim Kindergeld in Europa sieht der Städtebund eine Ursache für gezielte Einwanderung. In Bulgarien etwa beträgt das Kindergeld 18 Euro monatlich und in Rumänien sogar nur 10 Euro im Monat pro Kind.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hält aus diesem Grund eine gezielte Einwanderung zur Abschöpfung von Kindergeld für möglich. „In Bulgarien, Rumänien oder anderswo in Europa sind 194 Euro Kindergeld pro Monat und Kind ein Vermögen“, sagte Landsberg gegenüber der „Rheinischen Post“.
Städtebund fordert Rechtsänderung
„Es ist daher gut vorstellbar, dass EU-Bürger gerade deshalb nach Deutschland kommen, um einen Anspruch auf das Kindergeld zu erwerben, auch wenn sie für sich auf dem Arbeitsmarkt keine großen Chancen sehen“, sagte Landsberg und drängt auf Rechtsänderungen: „Wir müssen das Kindergeld für im Ausland lebende Kinder unbedingt an deren Lebenshaltungskosten vor Ort anpassen.“
Es sei Aufgabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass die erforderliche EU-Mehrheit für die Änderung der Rechtsgrundlage für das Kindergeld geschaffen werde, so Landsberg.
Fingierte Arbeitsplätze
Die wesentliche Vorraussetzung für die Beantragung von Kindergeld ist ein Arbeitsplatz in Deutschland. Das dabei nicht immer alles mit rechten Mitteln zugeht haben Recherchen der Zeitung „Welt am Sonntag“ aufgedeckt. Angesichts dieser Hinweise auf systematischen Kindergeld-Betrug durch osteuropäische Banden fordert Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, jetzt ein härteres Durchgreifen des Staates.
Gegenüber der Funke-Mediengruppe sagte der Chef der Mittelstandsvereinigung: „Es geht hier um Steuergelder in Millionenhöhe, die von den Mittelständlern und ihren Mitarbeitern gezahlt werden.“ Den Steuerzahlern sei nicht zu erklären, dass kommunale Leistungen immer weiter beschnitten und Schwimmbäder geschlossen werden müssten, „während bei offensichtlichem Betrug beide Augen zugedrückt werden“.
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>>> Der Kommentar <<<
von Ralf Borowski
Steigende Ausgaben im Sozialbereich schärfen den Blick für Mißbrauch und befördern die Suche nach Einsparmöglichkeiten. Mario Ohoven kritsiert zu Recht die mangelhafte Bekämpfung der organisierten Kriminalität beim unberechtigten Bezug von Sozialleitungen. Aber er sollte nicht vergessen, daß auch seine Mitglieder von den osteuropäischen Arbeitskräften profitieren. Viele Tätigkeiten, zum Beispiel in der Landwirtschaft, wären ohne die osteueropäischen Helfer nicht zu schaffen. Häufig handelt es sich um Tätigkeiten im Niedriglohnbereich, für die sich keine einheimischen Arbeitskräfte finden lassen. Das Kindergeld ist für diese Niedriglöhner gewissermaßen ein „zweiter Lohn“ und damit ein Anreitz um in Deutschland zu arbeiten. Sie würden sonst in andere europäischen Staaten abwandern, in denen zum Teil höhere Löhne für die gleiche Tätigkeit bezahlt werden. Somit ist das Kindergeld ungewollt ein „innereuropäischer Wettbewerbsvorteil“ für Deutschland.
Das Städte und Gemeinden von dieser ungewollten „Subventionierung“ nicht begeistert sind, ist verständlich. Sie wollen für Kinder, die auch tatsächlich in Deutschland leben, deutsches Kindergeld zahlen und für Kinder, die in Rumänien leben, lieber rumänisches Kindergeld. Ihr Argument sind die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten. Deshalb soll die Bundesregierung sich jetzt bei der EU für eine Gesetzesänderung einsetzen. Doch die Hoffnung dürfte vergeblich sein. Schon frühere Versuche einer Anpassung des Kindergeldes an die landesübliche Höhe sind in Brüssel gescheitert.
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R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur