Mit einer grundlegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof einen Großteil der bestehenden Patientenverfügungen in Altpapier verwandelt. Ein Interview mit der Essener Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht Dr. Gudrun Doering-Striening informiert über die zukünftige Gestaltung einer juristisch korrekten Patientenverfügung.
Kann man nach dem BGH- Beschluss vom letzten Jahr keine Patientenverfügung ohne Arzt mehr machen?
Dr. Doering-Striening: Nein, eine Patientenverfügung ist auch ohne Arzt möglich, aber ich rate immer zu einer Abstimmung mit einem Mediziner. Ursprünglich war die Beratung durch einen Arzt im Gesetzesentwurf vorgesehen. Die Forderung wurde aber im endgültigen Gesetz nicht umgesetzt.
Reicht es nicht auch sich ein Buch zu kaufen und das beiliegende Formular auszufüllen?
Dr. Doering-Striening: Es ist immer besser sich wenigstens zu informieren, statt gar nichts zu tun. Sich in die Thematik einzulesen ist immer gut. Vorrangig sollte es Literatur sein, die erklärt, was mit einer richtigen Vorsorge alles verbunden ist. Kreuzchen in ein vorgefertigtes Formular zu machen, reicht für eine vom Gericht anerkannte Patientenverfügung nicht aus.
Was bietet die Beratung durch einen qualifizierten Juristen an Mehrwert?
Dr. Doering-Striening: Eine Patientenverfügung alleine ist zu wenig. Es braucht unbedingt ergänzend noch eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsvollmacht. In der anwaltlichen Beratung führen juristische und persönliche Aspekte zu einer jeweils individuellen Entscheidung und die kann sehr unterschiedlich ausfallen, denken sie nur einmal an den religiösen Aspekt. Da gibt es viel zu beachten.
Die Patientenverfügung deckt also die medizinische Seite ab. Was hat es aber mit der Vorsorgevollmacht auf sich?
Dr. Doering-Striening: Die Vollmacht gibt dem Bevollmächtigten überhaupt erst das Recht die Patientenverfügung umzusetzen und das vom Gesetz vorgesehene Gespräch mit dem Arzt zu führen. Dem Bevollmächtigten ist vom Gesetzgeber die Pflicht zugewiesen worden, jeweils zu prüfen, ob die Patientenverfügung noch der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht. Eine Vorsorgevollmacht sollte man nur bei 120 Prozent Vertrauen ausstellen, oder die Finger davon lassen. Als Alternative bietet sich dann eine Betreuungsvverfügung an.
Warum sind Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht oder Betreuungsvollmacht überhaupt so wichtig?
Dr. Doering-Striening: Die Selbstbestimmung ist bei uns ein hohes Rechtsgut. Entweder man kümmert sich selbst, oder der Staat entscheidet in Form eines gerichtlich bestellten Betreuers. Die Selbstbestimmung hat aber immer Vorrang, denn „die Vorsorge ist Ausdruck der Menschenwürde“. So urteilte das Bundesverfassungsgericht.
Deswegen also auch der Begriff Erwachsenenschutzrecht?
Dr. Doering-Striening: Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sollen den nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten schützen, dafür müssen die schützenden Personen ja den Patientenwillen kennen. Bei den Vorsorgeregelungen geht es um die Konkretisierung seines Willens für den Notfall. Wer ist bevollmächtigt zu entscheiden und welche medizinischen Maßnahmen sind gewollt. Der behandelnde Mediziner möchte hier auch nichts falsch machen.
Haben Sie noch einen abschließenden Tipp?
Dr. Doering-Striening: Achten sie auf eine regelmäßige Aktualisierung von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Der Fortschritt in der Medizin und die Entwicklungen im Erwachsenenschutzrecht machen eine regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung erforderlich, wenn das Gesetz dies auch ausdrücklich nicht fordert.
Frau Dr. Doering-Striening, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und das aufschlussreiche Gespräch.
Dr. Gudrun Doering-Striening
Fachanwältin für Sozialrecht und Familienrecht
Rüttenscheider Straße 94 – 98
45130 Essen