Die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) bemängelte während des Verkehrsgerichtstages in Goslar die mangelnde Rechtsdisziplin einiger Unternehmen.
Besonders bei den zivilrechtlichen Ansprüchen der geschädigten Dieselfahrer erkennt die Justizministerin und ehemalige OLG-Richterin das Phänomen einer „mangelnden Rechtsdisziplin“.
Das Ausgangsproblem beschreibt sie so: Schon vor Dieselgate und Abgasaffaire bestand bei den Verbrauchern eine gewisse Zurückhaltung ihre Ansprüche gerichtlich einzufordern. Als Grund hatten Rechtswissenschaftler zum einen die kleinen Streitwerte ausgemacht, die zu einem „rationalen Desinteresse“ der Verbraucher führten. Aber auch bei höheren Streitwerten wird die Sache nicht besser, da mit dem Streitwert auch das Prozesskostenrisiko steigt. Für die erfahrene Juristin ist klar, das wirkt „wie eine Klagebremse“.
Kalkulierter Rechtsbruch
Dieses Verbraucherverhalten kennen natürlich auch die Unternehmen. Für das eine oder andere Unternehmen ist es da verlockend, einen „kalkulierten Rechtsbruch“ zu begehen. Dabei drohen im günstigsten Fall keine juristischen Konsequenzen. Aber auch wenn das rechtswidrige Verhalten geahndet wird, kann der Gewinn immer noch höher als die möglichen Kosten sein.
Für die niedersächsische Justizministerin verstößt ein so handelndes Unternehmen nicht nur gegen die Rechte seiner Kunden, sondern auch gegen die Interessen seiner Mitbewerber. Havliza sagt: „Die Rechtstreue von Unternehmen ist weder Selbstzweck noch bloßes Verbraucherrecht sondern auch Wettbewerbsschutz.“
Recht wahrnehmen und durchsetzen
Das juristische Instrumentarium gegen derartige Rechtsverstöße reicht vom Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, über Wettbewerbs- und Kartellrecht bis hin zu Unterlassungsklagen durch Verbände mit Gewinnabschöpfung, sagte die niedersächsische Justizministerin. Für Barbara Havliza ist der Staat in seiner Gesamtheit und nicht nur die Justiz zur Einhaltung der Rechtsordnung verpflichtet. Aber sie sieht auch den Bürger in der Pflicht. Betroffene müssten das ihnen vom Gesetz gegebene Recht auch in Anspruch nehmen und durchsetzen.
EU will mehr kollektiven Rechtsschutz
Wenn es aber an einem individuellen Durchsetzungswillen aus den oben genannten Gründen mangelt sei der Staat gefordert, so die CDU-Politikerin. Für sie kommt an dieser Stelle der kollektive Rechtsschutz zum Zug, der mit der neuen Musterfeststellungklage in Deutschland an Fahrt aufgenommen hat.
Abschließend wies die Justizministerin noch darauf hin, daß man in Europa schon weiter denkt. In Brüssel hat die europäische Kommission kürzlich einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der unter dem Titel „New Deal for Consumers“ noch weitergehende Vorschläge für einen europaweiten kollektiven Rechtsschutz vorsieht.