Zwischen Union und SPD gibt es Streit darüber, wie man auf das Urteil aus Leipzig reagieren soll. Die Bundeskanzlerin hält sich bisher im politischen Richtungsstreit zurück.
Die Union hält die Einführung einer Blauen Plakette für den falschen Ansatz. „Generelle Fahrverbote und die Einführung einer Blauen Plakette lehnen wir ab“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Daniela Ludwig (CSU), am Mittwoch. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte sich zuvor für die Einführung einer Blauen Plakette ausgesprochen, falls es tatsächlich zu Fahrverboten kommen sollte.
Umweltministerium sieht Länder in der Pflicht
Bei der Sitzung des Umwelt-Ausschusses am Mittwochmorgen erklärte ein Vertreter des Umweltministeriums, dass es nach der bisherigen Begründung des Urteils keine bundesrechtliche Regelung brauche. In der Pflicht seien zunächst die Länder. Er erwarte aber, dass im Zuge der Debatte auch über eine vom Bund zu setzende Rahmenregelung, etwa die „Blaue Plakette“, diskutiert werden wird. Innerhalb der Bundesregierung herrsche bei dem Thema Uneinigkeit, sagte der Ministeriums-Vertreter. Im Hinblick auf Software- und Hardwareupdates durch die Hersteller erwarte das Umweltministerium auch eine technische Nachrüstung. Die Frage der Kostenübernahme werde noch eine Debatte zur Folge haben, sagte der Ministeriums-Vertreter. Er sprach sich dagegen aus, die Dieselbesitzer oder den Steuerzahler bezahlen zu lassen.
Bundesverkehrsministerium will die StVO ändern
„Es soll eine neue Rechtsgrundlage zur Anordnung von streckenbezogenen Verkehrsverboten oder -beschränkungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoffdioxid) in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geschaffen werden“, teilte Verkehrs-Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) dem Grünen-Abgeordneten Matthias Gastel auf dessen Anfrage hin mit. So war es in der Rheinische Post zu lesen. Die Regelungen könnten bereits Eingang in die nächste StVO-Novelle finden. Fahrverbote könnten die Städte dann auch unabhängig vom Vorliegen eines Luftreinhalteplans anordnen.
Bundesjustizminister setzt auf Sammelklagen
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) macht der verunsicherten Dieselbesitzern Mut. Mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten neuen Musterfeststellungsklage – einer Art Sammelklage – werde die Position betroffener Verbraucher gegenüber Konzernen gestärkt, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Damit bekommen auch viele Besitzer von Diesel-Pkw grundsätzlich die Möglichkeit, gemeinsam mit Verbraucherschützern ihre Interessen künftig besser durchsetzen zu können.“ Laut Koalitionsvertrag soll das Gesetz zur Musterfeststellungsklage spätestens zum 1. November 2018 in Kraft treten.
SPD-Wirtschaftsministerin: Hersteller sollen zahlen
Noch-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) forderte in der „Bild“, die Industrie müsse nach dem Diesel-Urteil des BVerwG nun „neue Angebote machen“. „Den Verbrauchern, den Mittelständlern oder dem Handwerk muss eine Lösung angeboten werden, sie dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben.“
SPD-Landeschef kritisiert CSU-geführtes Verkehrsministerium
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat sich gegen Diesel-Fahrverbote und die Einführung einer Blauen Plakette ausgesprochen. Die Blaue Plakette sei „nur eine freundliche Umschreibung für Fahrverbote“, sagte Weil der „Welt“. Weil warf dem CSU-geführten Bundesverkehrsministerium vor, es habe sich bei der Abgasproblematik „in den vergangenen Jahren viel zu stark zurückgehalten“. Wenn jetzt alle Autofahrer aus dem Diesel flüchteten und stattdessen Benziner kauften, „dann haben wir spätestens im Jahr 2020 ein noch größeres CO2-Problem“, sagte Weil, der als Vertreter des Aktionärs Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat sitzt.
Hamburg kündigt erste Sperrungen für Dieselfahrzeuge an
Nach dem BVerwG-Urteil am Dienstag hat Hamburg direkt angekündigt, bereits vom Senat beschlossene Fahrverbote jetzt kurzfristig umzusetzen. Geplant sind „Durchfahrtsbeschränkungen“ für ältere Diesel-Fahrzeuge an zwei Straßenabschnitten, wo die Werte für Stickstoffdioxid über dem EU-Grenzwert liegen. Anlieger sollen von der Beschränkung ausgenommen werden. Dazu gehören Anwohner, Besucher, Müllautos, Krankenwagen und der Lieferverkehr. Die Vorbereitungen für die Beschilderung und die Ausweichstrecken sind bereits abgeschlossen.
Und die Bundeskanzlerin?
Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Leipziger Diesel-Urteil aufgefordert, die Diesel-Nachrüstung durch Autohersteller zur Chefsache zu machen. „Der politische Druck auf die Autohersteller muss viel größer werden“, sagte Müller, Chef des Bundesverbands Verbraucherzentrale (VZBV), der „Rheinischen Post“. In seiner Stellungnahme bedauert Müller, daß es keinen einfachen und schnellen rechtlichen Weg gibt, der die Autohersteller verpflichtet, Hardware-Nachrüstung anzubieten.
R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur