Hunderte Kommunen machen deutschlandweit Front gegen Motorradlärm, und sogar der Bundesrat fordert Fahrverbote für Biker an Sonn- und Feiertagen. Doch die Bundesregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund sind gegen einen Motorrad-Bann.
Kräftig aufs Gas getreten, schon heult der frisierte Motor auf, und was die hochmotorisierten Biker verzückt, lässt die die Anwohner in Straßennähe verzweifeln – vor allem wenn an Wochenenden und nachts Krach gemacht wird. Kein Wunder, dass die Zahl der Kommunen wächst, die Sonn- und Feiertagsfahrverbote für Motorräder fordern oder zumindest zeitlich begrenzte Streckensperrungen in von den röhrenden Zweiradrasern besonders bevorzugten Regionen.
Keine Halterhaftung für Motorradfahrer
Wer in kleinen, voll ausgedrehten Gängen stets am Limit und zu schnell (= zu laut) fährt, kann natürlich nach geltendem Recht von der Polizei belangt werden. Allerdings nur theoretisch. Denn mit ihren heruntergelassenen Helmvisieren und den aus ästhetischen Gründen verkleinerten Nummernschildern, die aus wenigen Metern Entfernung schon nicht mehr ablesbar sind, rasen und donnern die Biker gleichsam anonym über Deutschlands Strassen. Eine Identifizierung an stationären Radarfallen gelingt, wegen der nur hinten angebrachten postkartengroßen Kennzeichen, nur in den seltensten Fällen. Schade, denn damit erübrigt sich die Überlegung, die in Frankreich bereits erfolgreich getesteten Radarfallen für zu laute (!) Autos auch in Deutschland und für Motorräder einzuführen.
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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der sich ohnehin gegen die sogenannte Halterhaftung für Motorradfahrer oder gar die Einführung einer verpflichtenden Fahrtenbuchauflage ausspricht, würde am liebsten alles beim Alten lassen und will auch die vom Bundesrat aus Lärmschutzgründen vorgeschlagenen Motorradfahrverbote an Sonn- und Feierteagen nicht umsetzen.
Auch „sportliche“ Autofahrer lieben es laut
Doch die Zahl der Kommunen wächst, die sich den Kampf gegen illegal laute Motorräder auf die Fahnen geschrieben haben und die sich damit länderweit und schließlich auch im Bundesrat Gehör verschafft haben. Allen voran Sonja Schuchter, Bürgermeisterin von Sasbachwalden im Ostschwarzwald, einer bei Bikern überaus beliebten Destination. Mit der Aktion „Silent Rider“ und ihrer bundesweiten „Initiative Motorradlärm“ hat sie sich überregional Gehör und Aufmerksamkeit verschafft.
Nur wenige rücksichtslose Motorradfahrer
Für die nicht ausgebliebenen, massiven Proteste der Motorradfahrer gegen ein drohendes Fahrverbot an Wochenenden zeigt allerdings nicht nur Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, selbst begeisterter Biker, Verständnis. „Für Sonn- und Feiertage generelle Fahrverbote für Motorradfahrer zu erlassen, das ist völlig überzogen, und so kann man der Probleme nicht gerecht werden“, gab er in der ARD zu Protokoll. „Motorradfahren und auch das zu genießen, durch unsere herrlichen Landschaften zu fahren, bedeutet nicht, unnötig Krach zu machen.“ Rücksichtslose Motorradfahrer seien die Ausnahme, und es gäbe auch Porschefahrer, die ihren Motor unnötig aufheulen ließen.
Gemeindebund fordert „Runden Tisch“
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), der sich jetzt ebenfalls gegen das von der Länderkammer geforderte Sonntagsfahrverbot ausgesprochen hat, setzt deshalb erst einmal auf freiwillige Verpflichtungen. „Ein besserer Lärmschutz kann auch ohne eine solch gravierende Einschränkung von Mobilität funktionieren“, sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Osnabrücker Zeitung und fordert Bundesverkehrsminister Scheuer auf, einen „Runden Tisch Motorradlärm“ mit Vertretern von Kommunen und Motorradbauern einzuberufen. In diesem Rahmen könne dann auch über eine Anpassung der Emissionsgrenzwerte gesprochen werden, denn schon eine Drosselung um zwei bis drei Dezibel könne das Lautstärkeempfinden mehr als halbieren. „Der überwiegenden Mehrheit der Biker geht es um das Fahrerlebnis und nicht darum, Krach zu machen.“ Und gerade im Corona-Sommer seien Motoradgruppen „ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Hotels und Gaststätten in den entsprechenden Regionen“.
Lösung: Klappenauspuffanlagen verbieten
Die Biker-Gemeinde kann also erst mal aufatmen, und muss sich allenfalls darauf einstellen, dass die ohnehin überforderte Polizei nun auch noch an Problemstrecken mehr Präsenz zeigen und die Fahrzeuge effektiver kontrollieren soll. Einen anderen, zielführenderen und praxistauglicheren Vorschlag erhielt die oben Schwarzwälder Frontfrau gegen den Motorradlärm Sonja Schuchter übrigens von dem passionierten Motorradfahrer Fritz-Ulrich Herter, der mittlerweile auch aktives Mitglied in ihrer „Initiative Motorradlärm“ ist: „Wer vorsätzlich Lärm erzeugt, muss mit höheren Bußgeldern bestraft werden.“ Vor allem regt er an, die „technisch völlig unsinnigen“ Klappenauspuffanlagen sowohl bei Motorrädern als auch bei Autos zu verbieten – und zwar „unverzüglich“.