So nehmen Sie doch Vernunft an! Ich bin überzeugter Datenschützer, ich darf nichts annehmen ohne die Abgabe einer Datenschutzerklärung.
So könnte es ab nächster Woche heißen, wenn die neue europäische Datenschutzverordnung (DSGVO) ihre volle Wirkung entfaltet. Für kleine Firmen, Vereine und Freiberufler droht ein bürokratischer Supergau. Dokumentationspflichten, Nachweise und Erklärungen in nie gekannten Ausmaßen kommen auf sie zu. Nach zahlreichen Warnungen von Seiten der Wirtschaft, überlegt die zuständige EU-Justizkommissarin Vera Jourova nun die Übergangsfrist zu verlängern. Gegen diese Überlegungen laufen deutsche Datenschützer Sturm.
Datenschützer: Fristverlängerung ist unangemessen
„Im Rechtsstaat ist die Exekutive an die Gesetze gebunden und steht nicht über ihnen. Damit ist eine weitere zweijährige Frist nicht nur unangemessen und für die Akzeptanz der Regelungen schädlich, sondern auch rechtlich unzulässig“, sagte der Hamburger Datenschutzbeauftragte, Johannes Caspar, dem Handelsblatt. Auch die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Marit Hansen, erteilt dem Vorstoß Jourovas eine klare Absage: „Ein zweijähriger Verzicht auf das Instrumentarium würde dem Datenschutzrecht die Zähne ziehen, die es gerade erst bekommt“.
DIHK: Kleine Unternehmen sind überfordert
Während nach Meinung der beiden Datenschützer eine neue Zeitrechnung beginnt, ist der Präsident des Deutschen Industrie- und Handeltages (DIHK) Eric Schweitzer da ganz anderer Meinung.
„Kaum einer kann heute rechtssicher einen Webshop aufmachen oder weiterführen ohne einen Fachanwalt im IT Recht und im Datenschutzrecht“, sagte Schweitzer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen fühlten sich seiner Meinung nach bei der Digitalisierung ausgebremst, weil sie eine Unzahl von Zugriffsrechten, Einwilligungen und Löschkonzepten erstellen müssten.“ Datenschutz darf das alltägliche unternehmerische Handeln nicht unmöglich machen, so der DIHK-Präsident.
Bürokratieabbau wird mit der DSGVO hinfällig
Auch in der Politik sind nicht alle vom neuen EU-Datenschutz begeistert. Bei einem vertraulichen Treffen von Mitgliedern der Unions-Fraktionsspitze mit Vertretern des Innenministeriums wurden massive Vorbehalte gegen die Regelung deutlich, schreibt der „Spiegel“. Die Abgeordneten fürchten, dass kleine Firmen und Freiberufler bei Verstößen von Abmahnvereinen und -anwälten zur Kasse gebeten werden.
Carsten Linnemann, der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung (MIT), mahnt wegen der vielen Dokumentationspflichten: Wenn die Regierung nichts gegen die Folgen der „Datenschutzgrundverordnung“ unternehme, brauche sie künftig nicht mehr über Bürokratieabbau zu sprechen.
Unions-Fraktion plant Gesetz gegen Abmahnvereine
Die Fraktionsführung will die Regierung dazu bewegen, bereits auf der Kabinettssitzung am kommenden Mittwoch ein Eckpunktepapier zu verabschieden, das die Praktiken unseriöser Abmahnvereine untersagt. Ein entsprechendes Gesetz soll so schnell wie möglich verabschiedet werden. Das Innenministerium wurde beauftragt, zu prüfen, ob die Regeln auch rückwirkend angewandt werden können.
R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur