Die Vergangenheit holt jetzt einen 37-jährigen Deutschen mit syrischen Wurzeln ein. Der mit einer deutschen Frau verheiratete Bauingenieur hat gleichzeitig noch eine syrische Ehefrau.
Der ehemalige Syrer wehrt sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung. Er soll durch das Verschweigen seiner Zweitehe bei den Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht haben. Der 1981 in Syrien geborene Mann lebt seit 1999 in Deutschland und hat hier studiert. Er arbeitet seit 2008 als angestellter Bauingenieur. Im April 2008 heiratet er eine Deutsche, mit der er drei Kinder hat. 2010 stellte er einen Antrag auf Einbürgerung und gibt dabei nur seine deutsche Ehe an.
2012 erfahren die zuständigen Behörden, dass der Ingenieur im Juni 2008 in Damaskus mit einer syrischen Frau rechtswirksam eine weitere Ehe geschlossen hat. Die Vaterschaft der 2012 von seiner Zweitfrau geborenen Tochter erkennt der Mann an. Diese Tochter lebt seit 2013 bei ihm in Karlsruhe. Auch seine syrische Zweitfrau lebt seit 2017 mit eigenem Haushalt in Karlsruhe.
Die Behörde nimmt Ende 2013 die Einbürgerung des Ingenieurs zurück. Durch das Verschweigen der Zweitehe und die im Einbürgerungsantrag abgegebenen Erklärungen habe er arglistig über die Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht.
Die Zweitehe schließe es aus, dass er sich in die Lebensverhältnisse in Deutschland eingeordnet habe, und stehe auch einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegen.
Gegen diese behördliche Entscheidung klagte der Betroffene vergeblich beim Verwaltungsgericht. In der nächsten Instanz, dem Verwaltungsgerichtshof, hat der ehemalige Syrer dann mehr Erfolg. Das Gericht hebt den Rücknahmebescheid für seine Einbürgerung auf.
Nach Meinung des Gerichts hätte der Bauingenieur bei seiner Einbürgerung, auch unter Berücksichtigung der in Syrien wirksam geschlossenen weiteren Ehe, nach § 10 StAG einen Einbürgerungsanspruch gehabt. Die Zweitehe stünde dem nach § 10 StAG geforderten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entgegen. Als oberste Instanz mußte nun das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der damalige Einbürgerung entscheiden.
Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zur näheren Prüfung zurückverwiesen, ob der Kläger im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung einen Einbürgerungsanspruch gehabt hat. Die Einbürgerung des Klägers ist allerdings rechtswidrig erfolgt, weil die in Syrien geschlossene und vom Kläger im Einbürgerungsverfahren verschwiegene Zweitehe einer „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG entgegensteht. Auch waren im Zeitpunkt der Einbürgerung die Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG noch nicht erfüllt.
Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme hat die Beklagte aber einen möglichen Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG im Zeitpunkt der behördlichen Rücknahmeentscheidung zu berücksichtigen. Die Beklagte hat hier einen solchen zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass der Kläger sich wegen seiner Zweitehe nicht wirksam zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt habe.
Der Rechtsbegriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ist bezogen auf die Gestaltung der staatlichen Ordnung und ihres Handelns. Dieser Rechtsbegriff ist damit enger als das Erfordernis der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Er verlangt vom Einbürgerungsbewerber ein Bekenntnis zu einem auf Recht und Gesetz sowie der Achtung und dem Schutz der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gründenden Gemeinwesen, aber kein Bekenntnis zum Prinzip der bürgerlich-rechtlichen Einehe.
Dem Gesetzgeber steht es allerdings frei, die Anspruchseinbürgerung bei bestehender Mehrehe auszuschließen, etwa indem er nach dem Vorbild des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch für die Anspruchseinbürgerung vom Ausländer eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ verlangt.
Ob im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung ein Einbürgerungsanspruch des Klägers bestand, wird das Berufungsgericht mit Blick auf die Einbürgerungsvoraussetzung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts aufzuklären und zu entscheiden haben.
PM BVerwG vom 30.05.2018
Az.: BVerwG 1 C 15.17 –