Ein vom Berliner Senat in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass eine Enteignung von Immobilienkonzernen zulässig ist. Jetzt stellen die betroffenen Unternehmen ihre Sicht der Dinge dar und gehen medial in die Offensive.
Die Auftraggeber des Gutachten sind inzwischen heillos zerstritten, was die Konsequenzen des Gutachens betrifft. Während Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) gegen eine Enteignung ist, stellen sich Grüne und Linke hinter die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“. Diese möchte mit einer Unterschriftensammlung einen Volksentscheid erzwingen, um private Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu enteignen.
Wohnungskonzern räumt Fehler ein
Der Wohnungskonzern Deutsche Wohnen AG hat in einem Zeitungsbeitrag Fehler im Umgang mit seinen Mietern eingeräumt: „Wir haben teilweise zu wenig mit den Mietern und mit der Öffentlichkeit gesprochen und zu wenig über die positiven Aspekte unserer Arbeit berichtet“, sagte der Vorstandschef der Deutsche Wohnen, Michael Zahn, gegenüber der „Welt am Sonntag“.
Der Konzernchef zeigt Verständnis für die Proteste. „Das nehme ich ernst. Deshalb werden Sie die Deutsche Wohnen in den nächsten Jahren anders erleben als bisher.“ Aber Zahn will die fast 110.000 Berliner Wohnungen seines Unternehmens nicht kampflos hergeben und kündigt an: „Wir leben in einem Rechtsstaat. Ich habe großes Vertrauen in unsere Gerichte, und wenn man diese Auseinandersetzung wirklich bis zum Ende führen will, dann wird sie vor Gericht entschieden. Es geht hier aus unserer Sicht um den Versuch einer unrechtmäßigen Enteignung.“
Vonovia ist für Belegungsrechte
Auch der Vorstandsvorsitzende des Wohnungsunternehmens Vonovia, Rolf Buch, hat Verständnis für die radikale Forderung einer Berliner Mieterinitiative nach Enteignung. Im Gespräch mit der „Zeit“ sagt er: „Ich verstehe, dass Menschen extrem reagieren, wenn sie sich in einem so existenziellen Bereich wie dem Wohnen bedroht fühlen“. Nach seiner Einschätzung wären aber die Effekte auf die Miete jedoch gering. „Die Vorstellung, dass die Mietentwicklung sich durch Enteignungen drastisch verändern ließe, ist falsch“, so Buch. „Die Stadt müsste viele Milliarden an Entschädigung zahlen, die Effekte wären gering.“
Wenn die Stadt die Mieten mindern wolle, so der Vonovia-Chef, wäre es eine Alternative, sie würde bei Vermietern Belegungsrechte kaufen. „Für die entsprechenden Wohnungen könnte dann eine Sozialmiete von beispielsweise fünf Euro pro Quadratmeter genommen werden. Die Stadt würde uns als Eigentümer die Differenz zur ortsüblichen Vergleichsmiete zahlen.“
Ein solches Modell wird von Vonovia bereits in Sachsen erfolgreich praktiziert. „Wir wären bereit, dieses Modell auch in Berlin weiter auszubauen“, sagt Buch.
FDP: Sozialismus aus Grundgesetz streichen
Die Liberalen möchten, angesichts der Vorkommnisse in Berlin, den „Sozialismus aus dem Grundgesetz streichen“ und deshalb die Verfassung ändern. „Eine Streichung des Artikel 15 GG würde die Achtung des Gesetzgebers vor dem Eigentum dokumentieren“, stellt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Michael Theurer im Handelsblatt klar.
Zur Situation in Berlin meint Theurer, dass die Bürgerinitiative den Artikel 15 des Grundgesetzes für die Enteignung nutzen will, sei der erste Fall seit Jahrzehnten. Der rot-rot-grüne Senat sei anscheinend bereit, den Schutz des Eigentums in Frage zu stellen.
IW-Ökonom sieht „Tabubruch“
Immobilienökonom Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bezeichnet im Handelsblatt die Debatte um Enteignungen großer Immobilienunternehmen in Berlin als „Tabubruch“. Für ihn geht es um die Enteigung der Eigentümer, der Aktionäre. Das sind für ihn auch viele Kleinaktionäre, die ihre Altersvorsorge mit den Aktien der Wohnungsgesellschaften verbessern wollen. Ihnen würde etwas weggenommen. „Etwas, das sie im Übrigen rechtmäßig erworben haben“, so der IW-Immobilienökonom. Für Voigtländer ist das beste Rezept gegen hohe Mieten die Schaffung von mehr Wohnraum. Er warnt davor, dass sich die Vermieter aus dem Markt zurückziehen, wenn die Debatte über Enteignungen fortgesetzt wird.
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RB, dts-Nachrichtenagentur