Die 2015 in Deutschland eingeführte Bürokratiebremse trägt erste Früchte und hat zu einer Entlastung der Wirtschaft um fast zwei Milliarden Euro jährlich beigetragen. Doch Berlin hat die Rechnung ohne Brüssel gemacht. Denn die nationalen Folgekosten europäischer Vorgaben drohen die Erfolgsgeschichte auszubremsen.
Cutting red tape ist der wunderbar präzise englische Ausdruck für das, was bei uns gemeinhin und eher ambivalent als Bürokratieabbau oder Entbürokratisierung bezeichnet wird. Denn Entbürokratisierung meint (nach Max Webers Bürokratie-Modell) nicht nur den Abbau von Stellen und Vorschriften, sondern auch und vor allem die Schaffung einer erhöhten Transparenz behördlichen und unternehmerischen Handelns und darüber hinaus – und nicht zuletzt – Deregulierung sowie Kostenabbau.
Dass das alles und noch viel mehr nicht einfach unter einen Hut zu bringen ist und der deutsche Tritt auf die Bürokratiebremse durch die zusätzliche Umsetzung ständig neuer EU-Richtlinien und -Vorgaben zwischenzeitlich ins Leere geht, erleben wir in diesen Tagen mit der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), an deren mangelnder Transparenz sich Unternehmen und Dienstleister seit Wochen zeit- und kostenaufwendig abarbeiten und bei Verstößen Gefahr laufen, von Abmahnvereinen und –anwälten zur Kasse gebeten zu werden.
Bürokratiemonster aus Brüssel sorgen für den Supergau…
Nachdem schon im Oktober 2017 die Meldepflicht zum neu geschaffenen EU-Transparenzregister vor allem kleine und mittelständische Firmen und Familienunternehmen an der Frage verzweifeln ließ, wer und was eigentlich meldepflichtig sei, hat Brüssel jetzt mit der DSGVO wieder ein Bürokratiemonster auf den Weg gebracht, das nach der Geldwäsche nun auch den Missbrauch persönlicher Daten bekämpfen soll. Von der Politik und den zuständigen Behörden weitgehend allein gelassen, sehen sich vor allem kleine Firmen und Freiberufler Dokumentationspflichten gigantischen Ausmaßes gegenüber.
„Ziel der Bundesregierung ist es, bürokratische Belastungen für Unternehmen in Deutschland systematisch zu reduzieren“, sagt Staatsminister Dr. Hendrik Hoppenstedt, MdB und Koordinator für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung, und ist stolz darauf, hierzulande den Erfüllungsaufwand und die Folgekosten gesetzlicher Regelungen gesenkt zu haben: „Mit der 2015 eingeführten Bürokratiebremse haben wir bei nationalen Vorhaben ein deutliches Umdenken bei den Folgekosten gesetzlicher Regelungen erreicht.“ Anders sieht es mit den Belastungen aus, die auf EU-Vorgaben beruhen.
…und drohen deutsche Mittelständler auszubremsen
Während der unter die nationale Bürokratiebremse fallende jährliche Erfüllungsaufwand in Deutschland von 2015 bis 2017 immerhin um 1,9 Milliarden Euro gesenkt werden konnte, hat im gleichen Zeitraum der Erfüllungsaufwand, der für die deutsche Wirtschaft aus der Umsetzung von EU-Richtlinien entstanden ist, deutlich zugenommen. Und die neuen europäischen DSGVO-Richtlinien sind für kleine inhabergeführter Unternehmen und Dienstleister, die sich keinen Fachanwalt für IT- und Datenschutz-Recht leisten können, in Zeiten zunehmend internetbasierter Geschäfte mindestens schweißtreibend. Denn was die neuen EU-Bestimmungen für sie am Ende konkret bedeuten, lässt sich nicht einmal im Ansatz absehen.
Auch die von der Bundesregierung derzeit forcierten Einzelprojekte zum Bürokratieabbau und zur Digitalisierung der Verwaltung (wie z. B. die Einrichtung eines Portalverbundes mit Bürger- und Unternehmenskonten oder die internetbasierte Zulassung von Fahrzeugen) sind derzeit noch alles andere als alltagstauglich.
Unverständliches Recht und viele Formulare
So werden als häufige Probleme bei (analogen wie digitalen) Kontakten mit der Bürokratie immer wieder die Unverständlichkeit des Rechts und der Formulare genannt. Das ergab eine vom Statistischen Bundesamt durchgeführte Umfrage. Und das gilt für EU-Regelungen ebenso wie für nationale Alleingänge in Sachen Bürokratieabbau.
Da mag vielleicht endlich Edmunds Stoibers „Bürokratie-Check“ weiterhelfen, den der ehemalige bayerische Ministerpräsident bereits 2014 als ehrenamtlicher Leiter der Arbeitsgruppe Bürokratieabbau in der EU auf den Weg gebracht hat. „Nicht alles, was geregelt werden kann, muss auch geregelt werden“, war seine Devise. 124 Milliarden Euro an Bürokratie-Kosten würden durch EU-Regelungen verursacht. Aber mehr als ein Drittel davon entstünden, weil die Einzelstaaten diese nicht kostensparend umsetzten.
Fazit heute: Die Bürokratiebremse hat seit ihrem Inkrafttreten national ihren ersten Zweck erfüllt, aber kommt durch immer neue EU-Richtlinien an ihre Grenzen, siehe Datenschutz-Chaos. Nicht alles, was Brüssel (richtigerweise) auf den Weg bringt, ist national so ohne weiteres zu schultern. Also: Wo ist er – der europäische „Bürokratie-Check“?