Mit der sogenannten Clean Vehicles-Richtlinie will die EU den Kommunen vorschreiben, dass bereits ab August 2021 mindestens drei von vier neuen Linienbusse „sauber und emissionsfrei“ (sprich elektrisch) fahren sollen. Passende Fahrzeuge sind jedoch am Markt kaum verfügbar.
Der von Bundesminister Andreas Scheuer (CSU) vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinien über die Beschaffung energieeffizienter Straßenfahrzeuge in den Kommunen ist mit der Verabschiedung durch das Bundeskabinett seit dem 20. Januar 2021 beschlossene Sache. Die darin definierten Mindestziele und die individuelle Quotenregelung stellen die Kommunen allerdings vor schier unlösbare Probleme: Sie sehen keine realistische Möglichkeit für die zeitnahe Umsetzung der strikten EU-Vorgaben in den kommunalen Fuhrparks.
Zuwenig Flexibilität bei der Umsetzung
In einer gemeinsamen Erklärung begrüßen der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Richtlinien zwar als richtigen Impuls für den Einsatz alternativer Antriebe in kommunalen Fuhrparks und im ÖPNV. Sie fordern jedoch mit Blick auf wirksame und praxistaugliche Einsatzmöglichkeiten mehr und größtmögliche Flexibilität für die öffentlichen Auftraggeber.
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So brächten die Richtlinien „speziell für ländliche Kommunen unverhältnismäßige Belastungen mit sich“. Denn für den dortigen Einsatz seien Fahrzeuge mit hohen Reichweiten notwendig: „Speziell in den schweren Fahrzeugklassen wie bei Müllabfuhr-Fahrzeugen oder Bussen für den ÖPNV sind kaum passende Fahrzeuge am Markt verfügbar. Und selbst wenn es sie gäbe, wären einige davon mindestens dreimal so teuer als herkömmliche Fahrzeuge. Dabei wären Netze und Ladestationen noch nicht mit eingerechnet.“ Andererseits würde der Anteil der Elektromobilität in den Ballungszentren stark ansteigen, so dass dort die Quoten aller Voraussicht nach sogar überfüllt würden, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Kommunalvertreter.
Deutschlandweit Kräfte bündeln
Wenn jeder kommunale Auftraggeber zudem gesetzlich verpflichtet sei, die jetzt festgesetzte Quote individuell zu erfüllen zu erfüllen, drohten womöglich Einschränkungen im OPNV-Angebot und Tariferhöhungen. „Dies widerspricht den Zielen des Klimaschutzes und gleichwertiger Lebensverhältnisse sowie dem sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel“, warnen die Kommunalvertreter und fordern deshalb statt der individuellen eine deutschlandweite Quote. Die würde es ermöglichen, „die Kräfte dort zu bündeln, wo es finanziell und ökologisch am sinnvollsten ist“.
Die Zeit drängt
Die Zeit drängt bei alledem: Schon ab August dieses Jahres sollen mindestens 45 Prozent aller neu anzuschaffenden Linienbusse „saubere“ Fahrzeuge im Sinne der Richtlinien sein; für Pkw und leichtere Nutzfahrzeuge gelten von August an 38,5 Prozent. Und die Hälfte davon muss sogar komplett emissionsfreie Antriebe haben. Umzusetzen und zu bezahlen ist all dies von den öffentlichen Auftraggebern und Gebietskörperschaften bzw. den örtlich beauftragten Betreibern von Verkehrsleistungen.
E-Busse nur bedingt tauglich
Was da auf die Kommunen finanziell zukommt, geht – die Verfügbarkeit der Fahrzeuge vorausgesetzt – in die Milliarden. So machen derzeit E-Omnibusse z. B. in Nordrhein-Westfalen gerade erst 1,4 Prozent der ÖPNV-Flotte aus, womit NRW bundesweit sogar an vorderster Stelle liegt. Zu den rund 300 Elektrobussen, die allein 2020 zwischen Rhein und Weser neu auf die Straße kamen, gehören auch vier Oberleitungsbusse, die die Stadt Solingen für viel Geld und unter großem Beifall der Elektromobilitätsaktivesten angeschafft und zum Einsatz gebracht hat.
Die neuen Busse, im Volksmund auch als „Stangentaxis“ bezeichnet, mussten aber schon nach kurzer Zeit wieder eingemottet und durch dieselbetriebene neue Busse ersetzt werden. Der Grund: An heißen Sommertagen fangen Elektrofahrzeuge leicht Feuer, und in der kalten Jahreszeit kann es durch Frost zu Betriebsstörungen kommen.
Wasserstoff – die ökologische Alternative
Vom Solinger Experiment abgesehen, erweist sich der ökologische Fußabdruck von E-Fahrzeugen ohnehin als deutlich unterschätzt: „Wir wundern uns, dass die Bundesregierung die Elektromobilität so sehr priorisiert hat“, gab der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (Efi) Uwe Cantner in der vergangenen Woche dem Handelsblatt zu Protokoll. Denn der ökologische Fußabdruck der E-Autos entstehe ja nicht nur durch deren Betrieb auf der Straße, sondern werde schon allein durch die Gewinnung des Rohstoffes für die Batterie, der Seltenen Erden, deutlich erhöht.
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Deshalb gelte es, so der Efi-Vorsitzende Cantner, erst einmal „einerseits die Umweltschädlichkeit der E-Mobilität weiter zu reduzieren und andererseits die Alternative Wasserstoff auch für den Verkehr voranzutreiben“. Denn im Gegensatz zu Verbrennern und E-Fahrzeugen fahren wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Autos nicht nur völlig emissionsfrei, sondern brauchen vor allem auch keine Batterien: Ihr Elektromotor wird anstelle einer Batterie von einer Brennstoffzelle angetrieben, in der durch eine chemische Reaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugt wird. Diese Technologie für den Verkehr nutzbar zu machen, sei zielführender als übereilte Investitionen in elektrisch betriebene Fahrzeuge.