Freies Internet oder Upload-Zensur? Die EU-Parlamentarier werden diesen Monat die Weichen für die Zukunft des Internets stellen.
Am Dienstag sind Pläne der EVP-Fraktion bekannt geworden, schon Mitte März im EU-Parlament über die umstrittene Reform des Urheberrechts abzustimmen. Vertreter des EU-Parlament, der EU-Kommission und des Europäischen Rates hatten sich im Februar auf einen neuen Entwurf zum EU-Urheberrecht geeinigt.
Was bringt die Reform
“Journalisten erhalten damit das Recht, einen größeren Anteil an den Einnahmen zu erhalten, die durch die Online-Nutzung von Presseveröffentlichungen erzielt werden“, sagt die EU-Kommission. Erstmals würde der Grundsatz einer angemessenen Vergütung für Urheber und ausübende Künstler im EU-Urheberrecht festgelegt. Außerdem stärke das neue Recht die Position der Kreativen gegenüber den Plattformen, „um mehr Kontrolle über die Verwendung ihrer Inhalte zu haben, die von Nutzern auf diesen Plattformen hochgeladen werden“. Im Reformpaket enthalten ist auch ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverleger.
Lindner: Digitalisierung nicht begriffen
Bei Spiegel-Online bezeichnet FDP-Chef Christian Lindner diese Reform als: „Produkt von Politikern, die die Digitalisierung nicht begreifen.“ Für ihn steht „die Verkehrsordnung des ganzen Netzes“ auf dem Spiel. Lindner sagt in seinem Gastbeitrag: „Ein bewährtes rechtliches Prinzip im Internet wird damit ins Gegenteil verkehrt. Bisher galt der Grundsatz „Notice-and-Take-down“. Der Seitenbetreiber war für eine Rechtsverletzung erst verantwortlich, sobald er von ihr wusste und nichts gegen sie unternahm.“
Upload-Filter – Stein des Anstoßes
Die Rede ist vom umstrittenen Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform. Hier geht es um die Haftung von Plattformbetreibern. Diese sollen zukünftig dafür sorgen, dass nur rechtlich zulässige Inhalte hochgeladen werden. Das betrifft Texte, Fotos, Bilder, Musik und natürlich Videos. Nur lizensierte Inhalte können noch hochgeladen werden. Für die Kontrolle sorgt ein sogenannter „Upload-Filter“.
Kritiker bezweifeln allerdings die Wirksamkeit dieser Filter. Diese seien nicht in der Lage, zwischen rechtswidrigen und legalen Inhalten zu unterscheiden, meinen die Experten von „netzpolitik.org“. Im Zweifel würden die Plattformen auf Nummer sicher gehen und einen Upload verweigern. In der Folge droht satirischen Beiträgen oder Memes das Aus, da sie häufig urheberrechtlich geschütztes Material nutzen.
Habeck: Upload-Filter sind kontraproduktiv „
Die Upload-Filter sind kontraproduktiv und der falsche Ansatz. Sie führen zur Löschung von Inhalten, aber nicht zu mehr Einnahmen für Urheberinnen und Urheber“, sagt der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck. Diese sollten angemessen an den Erlösen von Lizenzierungen beteiligt werden. „Heute bekommen zum Beispiel Musikerinnen und Musiker oft nur einen Hungerlohn von den Erlösen ab“, kritisiert der grüne Spitzenpolitiker bei der Funke-Mediengruppe. Habeck will die Internet-Plattformen dazu verpflichten, Lizenzvereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften wie Gema oder VG Wort abzuschließen.
Digitalverband: Betreiberhaftung ist ein Irrweg
Der Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), Matthias Wahl, warnt im Handelsblatt: Das Urheberrecht sei zwar „unstrittig ein schützenswerter Bereich“, aber die aktuellen Pläne entbehrten jeder angemessenen Verhältnismäßigkeit. Mit dem Vorhaben, Plattformbetreiber zur inhaltlichen Kontrolle von Veröffentlichungen durch Nutzer zu verpflichten, beschreite die EU einen gefährlichen Irrweg.
Den Interessenvertreter der Wirtschaft stört besonders, dass die geplante Regelung deine Haftung für die Plattformbetreiber vorsieht. Deshalb sei der Einsatz einer technischen Barriere (Uploadfilter), aus Sicht der Plattformbetreiber alternativlos. Für Wahl ist das eine „vorauseilende Selbstzensur“.
Barley: Offiziel dafür – intern dagegen
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) versucht, es allen Recht zu machen. Gegenüber dem Handelsblatt verteidigt sie den jetzt vorliegenden Entwurf, an dem sie als Justizministerin mitgewirkt hat, indem sie erklärt: „In der Richtlinie geht es nicht nur um die in der Öffentlichkeit heiß diskutierten Fragen der Verantwortlichkeit von Plattformen, es gehe auch ganz allgemein um bessere Vertragsbedingungen für Künstler, um grenzüberschreitende Bildungsangebote und Data-Mining.“
Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland distanziert sie sich von der Reform, indem sie erklärt: „Ich habe mich regierungsintern dafür eingesetzt, dass die Urheberrechtsrichtlinie ohne Artikel 13 verabschiedet wird.“ Sie sehe „die Möglichkeit, dass die vorgelegte Richtlinie am Ende aufgrund der anhaltenden Diskussionen um Artikel 13 im europäischen Parlament keine Mehrheit erhält“.
Eine Reform für ein besseres Urheberrecht im Internet und eine faire Vergütung der Künstler seien zwar „überfällig und wichtig“, aber die notwendige Neuregelung dürfe „nicht zulasten der Meinungsfreiheit“ gehen.
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>> Der Kommentar
Mit der EU-Urheberrechtsreform bohren die EU-Parlamentarier ein ganz dickes Brett. Zum Problem könnte werden, dass sie zu viel auf einmal wollen. Die Presseverlage sollen an den, durch ihre Inhalte generierten, Erträgen beteiligt werden. Dem urheberrechtlichen Ansprüchen von Autoren und Kreativen soll Geltung verschafft werden und die Plattformen sollen zukünftig für Urheberrechtsverstöße haften.
Viele Interessen prallen bei dieser Reform aufeinander. Zum einen die der Plattformbetreiber, die ihr Geschäftsmodel und ihre Gewinne gefährdet sehen und zum anderen die der Presseverleger, die endlich auch ein Stück vom Werbekuchen wollen. Dann sind da noch die Autoren und andere Kreative, die auf eine faire Entlohnung ihrer geistigen Leistung dringen. Ihnen gegenüber stehen die Vertreter eines „freien Internets“, für die alle Informationen kostenlos sein müssen. Durch die anstehende Reform des EU-Urheberrechts könnte ihnen ein Ende der urheberrechtlichen Selbstbedienung bevorstehen. Aber es könnte auch das Ende von Kreativität und Innovation im Internet sein. Eines ist aber sicher. Egal wie die Entscheidung der EU-Parlamentarier ausfällt, der Streit über die Inhalte im Netz wird weitergehen.
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RB, dts-Nachrichtenagentur