Rauchst du noch, oder snust Du schon? Während das Zigarettenrauchen in Deutschland mit Blick auf die gesundheitlichen Folgeschäden diskreditiert ist, hat eine andere Variante des Nikotinkonsums bei uns derzeit stimulierende Hochkonjunktur – besonders bei Spitzensportlern, denen der Oraltabak zu Höchstleistungen verhelfen soll. Der Europäische Gerichtshof aber bleibt unerbittlich und verweigert die völlige Legalisierung.
Snus? Das ist die Bezeichnung für eine vor allem in Schweden traditionell verbreitete Form von rauchfreiem Oraltabak, dessen Nikotin über die Mundschleimhaut in den Körper gelangt. Kein Rauch, der Lungen, persönliches Ansehen und Umwelt belastet, dafür aber Nikotin so viel und wo man will, unauffällig zwischen Zahnfleisch und Lippen gelutscht, in süßlichen Geschmacksrichtungen aromatisiert – von Himbeere über Melone bis Lavendel.
Kein Rauch = keine Gesundheitsgefährdung ?
Da beim Snusen nicht geraucht wird und so auch keine anderen Schadstoffe auftreten, die sonst bei einer Verbrennung entstehen, gilt das Tabaklutschen gemeinhin als weniger gesundheitsgefährdend. Trotzdem ist das gewerbliche Inverkehrbringen von Snus seit 1992 in der gesamten Europäischen Union mit Ausnahme von Schweden verboten, der Konsum allerdings nicht. Somit kann der Oraltabak legal aus Schweden überall hin importiert werden und ist für deutsche Tabaklutscher nicht nur im Internet beziehbar, sondern vor allem auch an Kiosken und Tankstellen, deren Betreiber Snus für ihre Kunden z. B. auch über den Umweg USA beziehen.
Trenddroge im Profisport
Selbst im deutschen Profi-Fußball wird zum Aufputschen und Entspannen gern zu den kleinen, unauffälligen Säckchen mit dem fruchtig aromatisiertem Lutschtabak gegriffen. So zeigte sich Marco Reus auf Instagram mit einer Packung Thunder, einem führenden Snus-Hersteller, und auch sein früherer Teamkollege Emre Mor soll snusen. Die Liste von Profis, die mit Snus in Verbindung gebracht werden, ist jedenfalls meterlang und reicht bis hinauf zur Premier League: So fanden Journalisten im Stadion von Leicester nach einem Spiel die ausgespukten Nikotinbeutelchen sogar neben der Auswechselbank. Doch während in England Spielern teilweise sogar eine hohe Geldstrafe droht, wenn sie mit Snus erwischt werden, ist das in Deutschland nicht so. Bei uns ist der Konsum legal.
Ist Leistungssteigerung schon Doping?
Der Snus-Konsum ist jedenfalls ein offenes Geheimnis und beschäftigt auch die Welt-Ant-Doping-Agentur (Wada). Dort steht das in Snus enthaltene Nikotin zwar noch nicht auf der Verbotsliste, ist jedoch immerhin bereits Teil des Überwachungsprogramms.
Für die Deutsche Antidoping-Agentur (Nada) gilt der Lutschtabak noch nicht als Dopingmittel. Aber dazu könne es – wie verlautet – noch kommen. Denn: „Doping kann nicht auf den Missbrauch von Anabolika (…) reduziert werden.“
Schnellere Reaktionen und weniger Stress
Nikotin erhöht den Puls, steigert den Adrenalinspiegel, die Konzentration sowie die Reaktionsfähigkeit und entspannt gleichzeitig, indem es Stress abbaut. Erfüllt das bereits den Tatbestand des Dopings? Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse bestätigt: „Viele Fußballer würden vor den Spielen snusen, um weniger nervös zu sein und sich mehr fokussieren zu können.“ Die körperlichen Auswirkungen könne man zwar noch nicht detailliert nachweisen, aber: „Ich hoffe, dass Snus verboten wird. Es ist gesundheitsschädlich. Das wäre auch in pädagogischer Hinsicht ein wichtiges Signal.
Beibehaltung des Verbotes durch neue Tabakrichtlinien
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Henrik Saugmandsgaard /Oe kommt zwar aus Dänemark, wo das Snusen bekanntlich Tradition ist, hat aber dennoch in Sachen Lutschtabak eindeutig Position bezogen und soeben in einer Empfehlung an den EuGH die Klage des führenden Snus-Herstellers und –Vertreibers Swedish Match gegen das Snus-Verbot in Großbritannien abgewiesen. Das Unternehmen hatte die Gültigkeit der britischen Rechtsvorschriften und damit der durch diese umgesetzten Richtlinie in Hinblick auch auf das Unionsrecht in Frage gestellt.
Hersteller Swedish Match kritisiert EU-Gesetzgeber
Obwohl der EuGH erst 2014 das bestehende Verbot des Inverkehrbringens von Tabak zum oralen Gebrauch bestätigt und für weiterhin gültig erklärt hat, sei dieses nunmehr unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbotes für ungültig zu erklären.
Aus Sicht von Swedish Match hätte der Unionsgesetzgeber die Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und des Rechtsrahmens für Tabakerzeugnisse seit dem ersten Urteil des Gerichtshofes im Jahre 2004 nicht hinreichend berücksichtigt.
Verbot soll Anziehungskraft für Jugendliche mindern
Der EU-Generalanwalt stellte jetzt unmissverständlich im Gegenteil klar, dass der Unionsgesetzgeber die Grenzen des Ermessens nicht überschritten habe und dass auch Tabak zum oralen Gebrauch suchterzeugend und gesundheitsschädigend sei, da er das Risiko schädlicher Wirkungen erhöhe. Das könne auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass in Gegengutachten die Daten, aufgrund derer der Gesetzgeber die Schädlichkeit von Tabak zum oralen Gebrauch bejaht hat, bestritten würden.
Wer wirklich snusen will, kann die kleinen Nikotinpäckchen nicht nur im Internet, sondern seit über 20 Jahren auch im (heimlichen) stationären und schwarzen Handel um die Ecke bekommen. Natürlich nicht überall dort, wo’s Zigaretten etc. gibt, aber in bestimmten Stadtteil-Kiosken sowie szenebekannten Tanken und Kneipen. Durch eine Legalisierung des Inverkehrbringens und die dann zu erwartende legale Bewerbung rauchfreien Tabakgenbusses würde – so der EuGH – eine „besondere Anziehungskraft auch auf junge Menschen und eine neue Abhängigkeitsquelle“ entstehen, die durch sein Verbot zumindest vermindert werden könne.