Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hält die 800-Quadratmeter-Begrenzung für Verkaufsflächen im Einzelhandel für gerechtfertigt. Diese Regel zum Schutz vor dem Coronavirus ist rechtens, entschieden am Mittwoch (29.4.) die OVG-Richter. Sie sehen aber noch offene Fragen.
Kaufhäuser, Technikmärkte und Modehäuser dürfen nur 800 Quadratmeter ihrer Verkaufsfläche nutzen. Diese Begrenzung ist rechtlich zulässig, entschieden die Richter des Oberverwaltungsgerichts für NRW und wiesen in einem Eilverfahren den Antrag eines Kaufhausbetreibers aus Minden, der Lifestyle-, Mode- und Luxusprodukte anbietet, auf eine einstweilige Anordnung gegen die Coronaschutzverordnung ab.
Die Verkaufsfläche sei ein Kriterium, „das eine unterschiedliche Behandlung einzelner Einzelhandelsbetriebe mit Blick auf ihre Relevanz für das weitere Infektionsgeschehen im Ansatz rechtfertigen könne“, teilte das Oberverwaltungsgericht NRW mit. Es sei voraussichtlich nicht zu beanstanden, dass das Land durch die Beschränkung der Verkaufsfläche Kundenströme steuern und damit neue Infektionsketten reduzieren wolle. Die Erwägung des Verordnungsgebers, dass die Anziehungskraft und Attraktivität mit zunehmender Verkaufsfläche der Unternehmen steige, sei jedenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.
Frage: Gleichbehandlung ?
Offen sei gegenwärtig allerdings, ob es mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sachlich gerechtfertigt ist, dass großflächige Einzelhandelsgeschäfte ihre Verkaufsfläche auf 800 qm reduzieren müssten, während andere nicht der Grundversorgung dienende Handelsgeschäfte auf gesamter Fläche öffnen dürften und außerdem in Shopping Malls und ähnlichen Einrichtungen viele kleine Geschäfte auf zum Teil engem Raum ihre Waren anbieten könnten.
Privilegiert und damit ohne Bindung an die Größenlimitierung zulässig sind neben den Einzelhandelsgeschäften, die der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des Grundbedarfs dienen, insbesondere Buchhandlungen, Einrichtungshäuser, Babyfachmärkte und Verkaufsstellen des Kraftfahrzeug- und des Fahrradhandels.
Frage: Warum Einkaufscentren ?
Nach Auffassung des Gerichts ist es zweifelhaft, dass Einkaufszentren, die in NRW oft außerhalb der Innenstädte liegen, tatsächlich eine geringere Sogwirkung ausübten als Innenstädte. Auch sei nicht offenkundig, dass sich die bauliche Struktur eines Einkaufszentrums oder einer Shoppingmall besser eigne, die erforderlichen Hygiene- und Abstandsanforderungen einzuhalten, als dies in Fußgängerzonen oder großflächigen Einzelhandelsbetrieben der Fall ist.
Finanzielle Verluste nachrangig
Zwar entstünden den betroffenen Unternehmen durch die Maßnahmen der Coronaschutzverordnung möglicherweise erhebliche finanzielle Einbußen. Diese Beeinträchtigungen müssten aber nach gegenwärtiger Lage gegenüber dem angestrebten Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und dem Schutz von Leib und Leben insbesondere intensivmedizinisch zu betreuender Patienten zurücktreten, teilte das Gericht weiter mit. Dies gelte nicht zuletzt, weil die Beeinträchtigungen durch Ausnahmeregelungen und finanzielle Hilfen abgemildert würden.
Az. 13 B 512/20.NE – Entscheidung vom 29.4.2020
Der Beschluss ist unanfechtbar.
.
Quelle: jurstiz.nrw, PM OVG NRW vom 29.4.2020