Eine Entscheidung des Landgerichts in Frankfurt am Main könnte dafür sorgen, dass sich der Gaspreis für langjährige Kunden der Stadtwerke stark erhöht. Das Gericht hält die von vielen Grundversorgern praktizierte Tarifaufspaltung für wettbewerbswidrig.
Im letzten Jahr verschwanden laut Business Insider 39 Energielieferanten vom Markt. Grund war der nachfragebedingt starke Anstieg der Großhandelspreise für Strom und Gas. Die Versorger hätten die gestiegenen Kosten weitergeben müssen. Doch viele der Billiganbieter hatten ihre Kunden mit einer längeren Preisgarantie gelockt!
Unerwartete Neukunden
Die Kunden der bisherigen Discount-Versorger müssen nun von einem Grundversorger beliefert werden. Dieser hat für seine Bestandskunden langlaufende Verträge zu einem günstigen Preis abgeschlossen. Für die unerwarteten Neukunden muss er Gas am sogenannten „Spotmarkt“ zu Marktpreisen dazukaufen. Hier ist der Preis drei- bis viermal höher als bei deren bisherigen Lieferanten. Deshalb haben viele Grundversorger eine Tariftrennung für Alt- und Neukunden eingeführt.
Risiko freier Markt
Die Kunden der Billiganbieter haben viele Jahre von günstigen Preisen am freien Markt profitiert. Inzwischen hat sich der Wind gedreht und der Preis für Gas steigt immer weiter. Hatten früher die Kunden der Stadtwerke „zuviel“ bezahlt, so wird es nun für die Kunden am freien Markt teuer, da sie nicht den Schutz langlaufender Lieferverträge haben. Das könnte sich aber nun ändern.
Wettbewerbswidrige Tarifspaltung
Das Landgericht Frankfurt/Main hat einem Energieversorger untersagt, von Neukunden in der Grundversorgung höhere Preise zu verlangen als von Bestandskunden. Die Spaltung des Tarifs sei wettbewerbswidrig und verstoße gegen das Energiewirtschaftsgesetz. Das berichtet der Spiegel, dem eine bisher unveröffentlichte Gerichtsentscheidung vorliegt.
Teure Öko-Grundversorgung
Angestrengt hatte das Verfahren der Ökostromversorger Lichtblick. Der Grundversorger hatte von Strom-Neukunden Anfang Januar rund 80 Cent pro Kilowattstunde verlangt – ein Aufschlag von 245 Prozent gegenüber dem Preis von etwas über 30 Cent für Bestandskunden. Im Februar hatte der Versorger den Preis zwar wieder auf knapp unter 60 Cent gesenkt, doch auch das war nach Auffassung des Gerichts unzulässig. Alle Kunden müssten gleich behandelt werden, so das Gericht.
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Markus Adam, Chefjurist des Hamburger Öko-Energieversorgers Lichtblick, glaubt, dass auch die Stadtwerke mit der Tarifspaltung deutsches und europäisches Recht brechen. „Wir gehen davon aus, dass weitere Gerichte dieser Rechtsauffassung folgen“, so Adam.
Bestandskunden zahlen drauf
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) verweist darauf, dass Grundversorger teils über Nacht Tausende neue Kunden mitversorgen mussten, weil deren Anbieter kurzfristig den Betrieb eingestellt hatten. Sie hätten dafür am Spotmarkt zu exorbitanten Preisen Strom dazukaufen müssen und hätten die zusätzlichen Kosten nicht auf ihre Bestandskunden abwälzen wollen, da diese in der Vergangenheit nicht zu einem Billiganbieter gewechselt seien.
Böse Überraschung für Mieter
Einige Grundversorger beschreiten einen anderen Weg. Sie unterscheiden nicht zwischen Neu- und Altkunden, sondern zwischen Haushaltskunden und Nicht-Haushaltskunden (gewerblichen Kunden).
Bei den „Nicht-Haushaltskunden“ handelt es sich nicht nur um Unternehmen, sondern auch um Mehrfamilienhäuser mit Zentralheizung.
Für die betreffenden Energieversorger sind Vermieter von Mehrfamilienhäusern keine „Haushaltskunden“ im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes, auch wenn sie die anfallenden Kosten an die Mieter (normale Haushalte) über die Betriebskostenabrechnung weitergeben. Die böse Überraschung für die Miete kommt mit der Heizkostenabrechnung. Hier drohen hohe Nachzahlungen.
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Quelle: dts-Material