Das Anfang Juli vom Bundestag beschlossene neue Tabak-Werbeverbot untersagt ab 1. Januar 2022 die Außenwerbung für Tabakwaren. Während die Tabakbranche erwartungsgemäß einen „unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff in die Freiheit zu werben“ beklagt, gehen die Regelungen den Gesundheitsexperten nicht weit genug.
Nach einer vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebenen, aktuellen Umfrage befürworten 69 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ein vollständiges Tabakwerbeverbot. Andererseits geben 28 Prozent der Deutschen an, regelmäßig zu rauchen, und geben dafür jährlich 25 Milliarden Euro aus. Und an diesen Milliarden verdient bekanntlich nicht nur die Tabakwirtschaft. Denn deutlich mehr als die Hälfte dieser Summe – nämlich 14,9 Milliarden z. B. in 2019 – fließt über die im internationalen Vergleich hohe Tabaksteuer direkt in den deutschen Bundeshaushalt. Noch mehr als die Wirtschaft verdient also der deutsche Fiskus am blauen Dunst.
Schonzeit für die Tabakwirtschaft
Kein Wunder also, dass Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung, auf die Tatsache verweist, dass Deutschland bei Tabak-Werbeverboten bisher immer Schlusslicht gewesen sei. Daran wird auch das jetzt verabschiedete neue „Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes“ nichts ändern. Denn das von Gesundheitsexperten dringend geforderte vollständige Werbeverbot für Tabakerzeugnisse blieb wieder mal aus.
Nachdem die Zigarettenwerbung in Radio, Fernsehen und Printmedien bereits verboten ist, soll in einem ersten Schritt ab Januar 2021 auch Kinowerbung fürs Rauchen tabu sein, allerdings nur bei Filmen, die für unter 18-Jährige freigegeben sind. Auch das Verteilen von Gratisproben ist außerhalb von Fachgeschäften verboten. Beides übrigens Werbemaßnahmen, die von der Tabakindustrie in Deutschland kaum noch oder gar nicht mehr eingesetzt werden.
Erst ab Januar 2022 ist dann das einschneidendere Außenwerbeverbot für Tabakerzeugnisse geplant, zum Beispiel auf Plakaten an Bushaltestellen und Litfaßsäulen oder auf Sonnenschirmen in Biergärten. Für sogenannte Tabakerhitzer gilt das Außenwerbeverbot erst ab Januar 2023, und E-Zigaretten dürfen im öffentlichen Raum sogar bis zum Januar 2024 beworben werden. In den Verkaufsstellen selbst darf für Tabak- und Rauchwaren jeder Art auch weiterhin nach Belieben Werbung stattfinden.
Tabakkonsum geht nur scheinbar zurück
Inwieweit solcherart Maßnahmen das Rauchverhalten und den tatsächlichen Tabakkonsum in Deutschland maßgeblich beeinflussen und senken können, daran mögen in vielerlei Hinsicht Zweifel angebracht sein. Während laut Robert-Koch-Institut der Tabakkonsum seit den Neunzigerjahren um etwa ein Drittel zurückgegangen sein soll, verzeichnet die Tabakindustrie „insgesamt keinen spürbaren Rückgang am Umsatz mit Rauchwaren“. Zwar sei der Verkauf an Zigaretten-Packungen tatsächlich um etwa die Hälfte gesunken, doch habe sich der Verbrauch für die übrigen Tabakwaren nicht nennenswert verringert.
Feinschnitt-Tabak liegt im Trend
Im Gegenteil: Der Verkauf von Feinschnitt-Tabaken für das Selbstdrehen von Zigaretten hat sich laut Statistischem Bundesamt um mehr als 50 Prozent gesteigert. Und auch der Verkauf von Zigarren und Zigarillos hat sich verdoppelt. Kein Wunder, denn (loser) Feinschnitt-Tabake zum Selbstdrehen sowie Zigarren und vor allem Zigarillos sind deutlich billiger als die Marken-Zigaretten, und die Raucherinnen und Raucher wehren sich gegen die ständig steigenden Zigaretten-Preise, indem sie schlichtweg verstärkt zu nikotinhaltigen Alternativen greifen.
Tatsache ist jedoch: In Ländern, wo bisher massive und umfassende Werbeverbote für Tabakerzeugnisse erlassen wurden, ist der Tabakkonsum unterm Strich stärker zurückgegangen als dort, wo es keine entsprechenden Einschränkungen gab. So twitterte denn auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt mit Recht: „Weniger Werbung verhindert den Start so mancher Raucherkarriere.“