Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ ist laut Infektionsschutzgesetz (InfSchG) die Voraussetzung für die Erteilung von Sonderrechten für die Regierung. Diesen Fall hatte der Bundestag am 25. März festgestellt und am gestrigen Mittwoch (18.11.) den Fortbestand bestätigt.
In dem Antrag von Union und SPD zur Fortschreibung der epidemischen Lage heißt es: Die Gefahren bestünden nicht nur fort, sondern seien derzeit noch gesteigert und bildeten weiterhin die Grundlage für die bestätigende Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Deshalb müssten die erlassenen Anordnungen und Rechtsverordnungen zur Bekämpfung der Pandemie weiter in Kraft bleiben.
Bundestag bestätigt epidemische Lage
Antragsgemäß hat der Bundestag dann am Mittwoch den Fortbestand der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Für den GoKo-Antrag stimmten 423 Abgeordnete. Dagegen waren 91 Abgeordnete und 134 Abgeordnete enthielten sich bei der Abstimmung im Bundestag.
Sonderrechte für den Gesundheitsminister
Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ ist nach dem Infektionsschutzgesetz die Rechtsgrundlage für die Anordnung von Corona-Schutzmaßnahmen und die Erteilung von Sonderrechten für die Regierung. Mittels dieser Sonderrechte kann der Gesundheitsminister zur Pandemiebekämpfung Rechtsverordnungen (Beispiel: Reisebeschränkungen, Bereitstellung von Intensivbetten) ohne Parlamentsbeteiligung erlassen.
Verwaltungsgerichte warten auf Karlsruhe
In vielen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zu angeordneten Corona-Einschränkungen durch die Länder sind verfassungsrechtliche Vorbehalte aufgeführt. So heißt es in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land NRW in Münster zu der angeordneten Schließung von Gastronomiebetrieben: „Jenseits der gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu klärenden Frage, ob die gesetzliche Grundlage den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, sei auch die vorübergehende Schließung gastronomischer Einrichtungen voraussichtlich eine notwendige Schutzmaßnahme.“
Experte: Keine gesicherte Rechtsgrundlage
Staatsrechtler Christoph Degenhart hält die Präzisierung im neuen Infektionsschutzgesetz für „nicht ausreichend“. Es sei zwar richtig, Einzelmaßnahmen als Regelbeispiele im Gesetz aufzuführen. Für die verschiedenen Eingriffe müssten dann aber die Voraussetzungen konkreter bestimmt werden. „Der Gesetzgeber hat nur geregelt, was möglich ist, aber nur unzureichend, wann und wie die Maßnahme ergriffen werden soll“, kritisiert der Experte. Im Handelsblatt wird Degenhart deutlich: „Die Zeit nach Abklingen der ersten Welle hätte genutzt werden müssen, um gesicherte Rechtsgrundlagen zu schaffen.“
BVerfG-Präsident: Rechtlich kein Notstand
In der FAZ äußerte sich der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Professor Stephan Harbarth, orakelartig zu diesem Thema. Er sagte der Zeitung: „Wir sind in einer gesellschaftlich, politisch und rechtlich herausfordernden Situation. In einem Ausnahmezustand im rechtlichen Sinne befinden wir uns nicht.“
Auf den von verschiedenen Seiten vorgebrachten Vorwurf, die Grundrechte würden suspendiert, erwiderte Harbarth: „Die Grundrechte gelten selbstverständlich auch in der Pandemie.“ Die eigene Rolle beschreibt er so: Legislative und Exekutive handeln, und die Judikative korrigiert, wo erforderlich.“ (FAZ 14.11.20 – Seite 4 „Die Judikative korrigiert“)
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Quellen: dts, hib