Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die bisherige Form der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Jetzt ist die Politik gefordert, eine neue Lösung für rund 35 Millionen Grundstücke zu finden. Nur eins ist schon jetzt klar, auf Häuslebauer und Mieter kommen höhere Kosten zu.
Hintergrund der Entscheidung sind drei Vorlagen des Bundesfinanzhofes und zwei Verfassungsbeschwerden beim BVerfG. Die Finanzrichter sind der Meinung, daß die bisherige Grundsteuer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, da die zur Berechnung herangezogenen Einheitswerte der Grundstücke aus den Jahren 1935 (Ostdeutschland) und 1964 (Westdeutschland) stammen.
Das Verfassungsgericht gibt den BFH-Richtern und den Beschwerdeführern mit seiner heutigen Entscheidung Recht. Die Grundsteuer ist in ihrer bisherigen Form verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürften die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. „Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden“, entschieden die Karlsruher Richter.
Berliner Grundsteuer – eine geteilte Stadt
In Berlin wird die Ungerechtigkeit des bisherigen Verfahrens besonders deutlich. „Es ist ja so, dass wir in Berlin manchmal die Situation haben, dass auf der anderen Straßenseite ein anderer Grundsteuerwert gilt“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) kürzlich im RBB-Inforadio. Ursache sind die unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen im östlichen und im westlichen Teil der Stadt.
Keine einfache Aufgabe für die Politik
Nach dem Urteil ist vor der Neuregelung. Jetzt beginnt das Gezerre der verschiedenen Interessengruppen um die fällige Neuregelung.
Der Eigentümerverband Haus & Grund warnte bereits im „Focus“ vor erheblichen Mehrbelastungen für Hausbesitzer und Mieter durch die anstehende Grundsteuerreform. Nach seinen Berechnungen könnte die Grundsteuer bis zum 30-fachen ansteigen. Da diese Steuer auf die Miete umgelegt werden kann, sind das keine schönen Aussichten für alle Mieter.
DMB: Grundsteuern sind keine Betriebskosten
Die Interessenvertretung der Mieter, der DMB, hat sich auch schon zu Wort gemeldet. „Der Deutsche Mieterbund fordert die Streichung der Position Grundsteuer aus dem Katalog der auf die Mieter umlegbaren Betriebskosten“, so Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz gegenüber der „Rheinischen Post“. „Die Grundsteuer ist eine Eigentumssteuer und es ist nicht einzusehen, dass sie in der Praxis nur von selbstnutzenden Eigentümern und Mietern gezahlt werden muss“, sagt der DMB-Geschäftsführer.
Hebesatz – Goldgrube für die Kommunen
Die Grundsteuer fließt in die Gemeindekasse und hier lauert ein unschönes Risiko für Mieter und Häuslebauer. Der Messwert der Grundsteuer wird zwar im Steuergesetz festgelegt, aber jede Gemeinde kann diesen Messwert mit einem eigenen „Hebesatz“ multiplizieren und damit die Grundsteuer erhöhen. Das reicht von genügsamen 100 bis zu satten 900 Prozent.
Außerdem ist der Hebesatz nicht festgeschrieben, sondern kann nach Bedarf geändert werden. Im Klartext: Erst der gesetzliche Messwert multipliziert mit dem gemeindlichen Hebesatz ergiebt die zahlbare Jahresgrundsteuer für den Immobilieneigentümer. Sollte dieser Vermieter sein, kann er die Grundsteuer dann als Betriebskosten an seine Mieter weiterreichen.
Bisher diskutierte Lösungsmodelle:
Option A: Die reine Bodensteuer
Die Wertermittlung für über 35 Millionen Grundstücke würde Jahre dauern. Deshalb plädiert das Institut der Deutschen Wirtschaft (DIW) für eine praktikablere Lösung, die reine Bodensteuer. Bei diesem Modell werden Mehrfamilienhäuser entlastet und unbebaute Grundstücke in Innenstädten höher belastet.
Da die Grundsteuer ein Teil der Mietnebenkosten ist, kann es bei der Bodensteuer für die Mieter in Mehrfamilienhäusern günstiger werden. Anders für die Eigentümer von Einfamilien-, Reihen- und Doppelhaushälften. Hier würden die Grundsteuerkosten, natürlich abhängig von der Lage der Immobilie, steigen.
Option B: Das Kostenwertmodell
Die Bundesländer haben ein anderes Modell vorgeschlagen, das Kostenwertmodell. Dabei kommt es auf den Wert des Grundstücks und des Gebäudes an. Berücksichtigt werden bei diesem Modell auch Art und Baujahr der Bebauung. Entscheidend sind aber nicht die aktuellen Preise, sondern die Kosten zum Zeitpunkt der Bebauung. Bei hochpreisigen Grundstücken kann es für die Eigentümer teuer werden.
Der Steuerexperte des Immobilienverbands IVD, Hans-Joachim Beck sagt dazu in der Welt am Sonntag: „Bürger in teureren Lagen werden zu den Verlierern des vorliegenden Reformvorschlags gehören und deutlich mehr Grundsteuer zahlen müssen.“
R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur