Schätzungsweise über 200 Milliarden Dollar werden jährlich weltweit und außerhalb des regulären Bankensystems als Schwarzgeld illegal grenzüberschreitend transferiert. Hawala-Banking macht’s möglich. Anders als „Western Union“ besitzen die Akteure keine Banklizenz und keine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Der Begriff Hawala stammt aus dem Arabischen, lässt sich etwa mit „wechseln“ übersetzen und bezeichnet ein auf Vertrauen beruhendes, informelles Geldtransfersystem, das einen unregistrierten Zahlungsverkehr ohne Bankgebühren und anfallende Steuern ermöglicht. Dabei erfolgen die Transaktionen ausschließlich mit Bargeld und ohne jegliche Belege. Das Verfahren hat seine Wurzeln in den frühmittelalterlichen Handelsgesellschaften des Vorderen und Mittleren Orients und funktioniert ohne Einschaltung irgendeines Kreditinstitutes. Ideal also, um die Spuren von Geld aus organisiertem Verbrechen oder aus Steuerhinterziehungen zu verwischen.
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Finanzsystem für Kriminelle
Das Hawala-Banking, mit dem Bargeld schnell, vertraulich, kostengünstig und im wahrsten Sinne des Wortes „spurlos“ in (fast) alle Welt transferiert werden kann, ist in Deutschland verboten. Vorgenommene Transaktionen sind strafbar. Doch in der Praxis spielt Hawala als Mittel zur Geldwäsche vor allem in bargeldaffinen Delikt-Bereichen wie der Drogen- und Waffenkriminalität sowie des Menschenhandels eine erhebliche Rolle. Auch von muslimischen Migranten wird diese Form des Zahlungsverkehrs gern für Rücküberweisungen an ihre Familien in den Heimatländern verwendet, um auf diese Weise die hohen Überweisungsgebühren des internationalen Zahlungsverkehrs zu umgehen.
Vertrauen als Sicherheit
Und das funktioniert wie folgt: Eine Person A in Aachen möchte z. B. einer Person B in Bagdad 10.000 Euro zukommen lassen. Person A übergibt die Summe dazu einem Hawala-Händler X in Aachen, der wiederum eine Geschäftsbeziehung zu einem anderen Hawaladar Y in Bagdad unterhält und dort den gewechselten Gegenwert an die Person B auszahlt, ohne dass dabei die üblichen Bankgebühren oder Steuern anfallen. Entscheidend ist, dass die Personen A und B jeweils ihrem Hawaladar in Aachen und Bagdad vertrauen können. Zudem haben A und B untereinander einen Code zur Authentifizierung gegenüber ihrem jeweiligen Hawaladar vor Ort vereinbart. Die vom Hawaladar X in Aachen einbehaltene Kommission kann dabei zwischen 0,25 und 1, 25 Prozent der transferierten Summe betragen. Die gesamte Transaktion dauert, sofern sich A und B gleichzeitig bei ihren Hawaldaren X und Y aufhalten, nur wenige Minuten.
Kunden bleiben anonym
Nun hat Hawaladar X in Aachen 10.000 Euro Schulden bei seinem Kollegen Y in Bagdad. Diese Schulden werden dann in der Folge mit beliebigen weiteren Transaktionen, die mit den Personen A und B überhaupt nichts zu tun haben müssen, beglichen. Im Unterschied zu anderen offiziellen Auslandsüberweisungssystemen wie Western Union oder MoneyGram, wo dieselbe Bank die Rolle von X und Y übernehmen würde, sind die Hawaladare in Aachen und Bagdad voneinander unabhängig agierende Personen. Und – ganz wichtig: A und B müssen sich gegenüber ihren Hawaladaren weder identifizieren noch müssen Sie die Herkunft oder den Verwendungszweck des Geldes angeben. Keine Unterschrift, kein Beleg für nichts, keine Spur woher und wohin, nur Vertrauen! Denn ein Hawaladar, der betrügt, wird früher oder später von seinen Kollegen geächtet und mit Berufsverbot belegt.
Geldtransfer ohne Geld und ohne Beleg
Das Geld wird in Deutschland bei einem Hawaladar eingezahlt und eine entsprechende Summe in einem anderen Land von einem anderen Hawaladar ausgezahlt, ohne dass es wirklich transferiert wird und eine für Behörden nachvollziehbare Spur hinterlässt. Denn die Händler, also die Hawaladare, rechnen untereinander ab. „Es ist außerordentlich schwer, in das System hineinzukommen, schließlich basiert es ausschließlich auf persönlichem Vertrauen“, sagt Kai Bussmann, Professor für Strafrecht und Kriminologie sowie Leiter des Economy & Crime Research Centers an der Uni Halle-Wittenberg, im Gespräch mit dem Branchen-Portal Business Insider Deutschland. „Das System an sich gibt es schon seit langer Zeit und wird fast ausschließlich von Kriminellen zur Geldwäsche genutzt.“
Verdacht der Terrorfinanzierung
Da die Hawaladare und ihr geheimes Geldtransfersystem in Deutschland nicht zugelassen sind, unterliegen sie auch nicht der Überwachung durch die beim Zoll angesiedelte Sondereinheit Financial Intelligence Unit (FIU). Sie bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone, die zunehmend in den Fokus der Ermittler gerät. „Die nicht ordnungsgemäß registrierten und beaufsichtigten Hawaladare zeichnen sich durch die Vermeidung einer Papierspur aus. Damit ist per se ein hohes Risiko verbunden, dieses System unter anderem für die Vornahme von Geldwäschehandlungen und Terrorfinanzierungen zu missbrauchen“, berichtete die Bundesregierung noch im Februar 2020 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag. Es würden aber noch keine belastbaren Daten über den tatsächlichen Verbreitungsgrad von Hawala oder vergleichbaren Systemen in Deutschland existieren.
Geldwäsche: Meldungen nehmen zu
Andererseits sind, laut Bundesregierung, im Jahr 2018 bei der Zentralstelle für Finanztransaktionen elf Verdachtsmeldungen nach Paragraph 43 Absatz 1 des Geldwäschegesetzes eingegangen. In diesen Fällen waren Akteure aus dem Finanzsektor ihrer Meldepflicht nachgekommen, als sie einen Bezug zum Hawala-System erkannten.
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Ziel der Bundesregierung ist, das Hawala-Netzwerk, über das erhebliche Summen illegal transfriert werden, aus dem Schattendasein zu holen. Denn neben Geldwäsche gibt es auch Hinweise, dass diese Systeme zur Terrorfinanzierung genutzt wird. Das bestätigt Sebastian Fiedler, der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er fordert deshalb eine Bargeldobergrenze.
Erklärungsnot durch Bargeldobergrenze
Mit der Zeit würde sich bei den Hawaladaren zwangsläufig eine beträchtliche Menge Bargeld anhäufen, die irgendwie den Weg ins offizielle Bankensystem finden müssten. Dafür würden sie z. B. mit Goldhändlern zusammenarbeiten, die das Geld als geschäftliche Einnahme bei ihrer Bank einzahlen und im Gegenzug Gold an die Hawala-Händler ausgeben. „Mit einer Bargeldobergrenze im geschäftlichen Bereich würde ein gewerblicher Händler erklären müssen, woher das Geld stammt und könnte nicht ungefragt große Summen aus kriminellen Vorgängen wieder ins Banksystem bringen“, so Fiedler gegenüber Business Insider.