Ist der Hustensaft „Mucosolvan Complete Phyto“ ein Arzneimittel oder ein Medizinprodukt? Darüber stritten vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main der Hersteller und ein Verein, der den unlauteren Wettbewerb bekämpft. Ohne einen vollständigen Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM) ist der Hustensaft kein Medizinprodukt entschieden am Freitag (22.5.) die OLG-Richter.
Bei dem Rechtsstreit ging es um die Einordnung des Hustensafts „Mucosolvan Complete Phyto“, der als „Medizinprodukt“ vertrieben wird. Die klagenden Wettbewerbsschützer sind der Meinung, der Hersteller würde nicht über die erforderliche Arzneimittelzulassung für diesen Hustensaft verfügen. Nach ihrer Meinung handelt es sich um ein so genanntes „Präsentationsarzneimittel“.
Die Wettbewerbshüter argumentierten, das Produkt enthalte als Wirkstoffe die zwei anerkannten und monographierten Arzneipflanzen Spitzwegerich und Thymian. Diese würden seit jeher bei der Behandlung von Husten eingesetzt. Ihre pharmakologische Wirkung sei unbestritten. Der Hersteller vertreibe unter der identischen Dachmarke auch zahlreiche als Arzneimittel zugelassene andere Hustensäfte.
Das Landgericht Frankfurt/Main gab in erster Instanz den Klägern Recht und verbot in einem Eilverfahren den weiteren Vertrieb des Hustensaftes als „Medizinprodukt“. Dagegen wandte sich der Hersteller beim zuständigen Oberlandesgericht. Doch vergeblich, die OLG-Richter bestätigten das Urteil des Landgerichts. Nach ihrer Meinung steht den klagenden Wettbewerbshütern ein Unterlassungsanspruch zu, da der Hersteller ein sogenanntes Präsentationsarzneimittel ohne entsprechende Zulassung vertreiben würde.
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Aus der Entscheidung des Gerichts
Erweckt die Präsentation eines Produktes den Eindruck, dass es heilende Wirkungen im Sinne eines Arzneimittels hat, liegt ein so genanntes Präsentationsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 AMG) vor. Weist der Hersteller nicht durch Vorlage eines vollständigen Bescheids des Bundesinstituts für Arzneimittel nach, dass das Produkt behördlicherseits nicht als Arzneimittel eingestuft wird, ist der Vertrieb als bloßes Medizinprodukt zu unterlassen.
Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass der Vertrieb des Hustensaftes als Medizinprodukt von einer behördlichen Erlaubnis gedeckt sei. Der von ihr vorgelegte Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sei teilweise geschwärzt. Die maßgeblichen Passagen zur Beurteilung der Reichweite des Bescheids, insbesondere des Vorliegens eines so genannten Präsentationsarzneimittels, seien nicht lesbar gewesen.
Aufgrund der Aufmachung des Hustensafts sei davon auszugehen, dass hier ein sog. Präsentationsarzneimittel vorliege. Ein Mittel sei nicht nur dann als Arzneimittel anzusehen, wenn es die ihm zugeschriebenen Wirkungen tatsächlich habe, sondern auch dann, wenn es für einen durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsabnehmer so dargestellt werde, als ob es diese Wirkungen habe. Für die Erweckung dieses Eindrucks komme es u.a. auf die Darreichungsform, Dosierung, Primärverpackung, äußere Umhüllung sowie den Vertriebsweg an. Die Vorstellung des Verbrauchers von den zugeschriebenen Wirkungen könne auch durch die Auffassungen der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein sowie durch Indikationshinweise oder Gebrauchsanweisungen. Nicht erforderlich sei die ausdrückliche Bezeichnung als Arzneimittel für die Einstufung als so genanntes Präsentationsarzneimittel. Der Verbraucher solle vor Produkten geschützt werden, die für die Erfüllung der erwünschten therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken nicht oder nicht hinreichend geeignet seien.
Hier werde der Eindruck erweckt, dass der Hustensaft Krankheiten heilen und lindern könne. „Die Formulierung „bei trockenem Husten und Husten mit Schleim, beruhigt den Hustenreiz und löst zusätzlich den Schleim“ lasse den Verkehr erwarten, dass die Krankheit Husten gelindert wird,“ begründet das OLG. Dabei erlange auch Bedeutung, dass dem Verkehr die anderen unter der Dachmarke der Beklagten vermarkteten Produkte als zugelassene, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bekannt seien.
Urteil vom 22.05.2020, Az. 6 U 23/20
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
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Quelle: PM OLG Frankfurt/Main vom 22.5.2020