„Nach der gescheiterten Osterruhe sollte es nicht schon wieder ein mit heißer Nadel gestricktes Gesetz geben“, forderte FDP-Chef Christian Lindner am Sonntag im Heute-Journal. Dass seine Forderung bei der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Gehör finden wird, ist allerdings unwahrscheinlich.
„Den heutigen Entwurf für eine bundesgesetzliche Corona-Notbremse sehen wir äußert kritisch. Mit Rechtsverordnungen ohne Beteiligung des Parlaments soll die Bundesregierung zukünftig Grundrechte einschränken dürfen. Diese Idee sollten CDU/CSU und SPD verwerfen,“ kommentierte Lindner das Reformvorhaben der Bundesregierung.
Ausgangssperre angreifbar
Nach Auffassung der Freien Demokraten ist die geplante „scharfe Ausgangssperre“ unverhältnismäßig. Es stelle sich beispielsweise die Frage, wie es um den abendlichen Spaziergang eines geimpften Paares bestellt sei. Davon ginge doch keine Gefahr aus. Lindner auf Twitter: „Diese Bestimmung ist verfassungsrechtlich höchst angreifbar.“
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Staatsrechtlerin sieht Mängel
Auch die Bochumer Rechtswissenschaftlerin Dr. Andrea Kießling übt bei Twitter Kritik an der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Die Expertin für Gesundheitsrecht fragt: „Werden nach der geplanten Bundes-Notbremse eigentlich Kitas ab einer Inzidenz von 200 geschlossen?“ Kießling hält den Gesetzestext für unpräzise. Die im Paragrafen 28b vorgesehene Maßnahme „Distanzunterricht statt Präsenzunterricht“ passe nicht zu einer Kita, da es dort keinen Unterricht geben würde. Falls der Gesetzgeber Kitas auch erfassen wolle und in der Gesetzesbegründung sei ja von „Bildungs- und Erziehungseinrichtungen“ die Rede, sei „die Regelung in der jetzigen Fassung auf jeden Fall zu unbestimmt.“
Sachsen hat Gesprächsbedarf
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meldet „erheblichen Gesprächsbedarf“ zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes an, bei der es um mehr Machtbefugnisse für den Bund geht. Da müßten „eine Reihe von Punkten“, geändert werden, meint Kretschmer. Neben dem Inzidenzwert müsse auch ein Faktor, der die Bettenauslastung in den Kliniken beschreibt, berücksichtigt werden. Ferner verlangt er eine Eingriffsschwelle für die Ausgangssperre erst ab einer Inzidenz von 200 und Ausnahmeregeln für den Einzelhandel, damit die Angelegenheiten des täglichen Bedarfs auch im Falle eines Brücken-Lockdowns weiter möglich sind. Der Schulbereich sei ausschließlich Ländersache, betont der CDU-Ministerpräsident.
Politischer Realitätsverlust
Kretschmer in der Welt: „Die Realität in Deutschland ist, ein großer Teil der Menschen trägt die aktuellen Einschränkungen nicht mehr mit und kann die politischen Hintergründe nicht nachvollziehen. In einer Demokratie ist es schlecht, diese Realität beiseitezuschieben oder die Menschen dafür zu beschimpfen“, meint Kretschmer und ergänzt: „Es ist notwendig, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Das ist aus meiner Sicht eine zwingende Voraussetzung für Akzeptanz in der Bevölkerung.“
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dts, twitter