Mallorca wird von kriminellen „Hausbesetzern“ heimgesucht. Sie brechen in leerstehende Ferienwohnungen ein, tauschen die Schlösser aus und erpressen die Eigentümer.
Auf Mallorca sorgen organisierte Banden für Schlagzeilen: Sie halten Ausschau nach leer stehenden Ferienwohnungen, brechen dort ein und tauschen die Schlösser aus. Dann vermieten sie die Objekte an Dritte oder verkaufen die Schlüssel für einen 5stelligen Betrag wieder an den echten Besitzer zurück. Jetzt sollen ein Ex-Boxer und neue Gesetze für Ordnung sorgen.
Keine Zwangsräumung ohne gerichtliche Anordnung
Es ist die Horrorvorstellung eines jeden Ferienhaus-Besitzers: Man kommt zu seiner Immobilie, um dort den Urlaub zu verbringen, und ein Fremder hat sich dort einquartiert und das Haus besetzt. Tor und Türen sind verschlossen, die Schlüssel passen nicht mehr, und die herbeigerufene Polizei kann nichts unternehmen. Denn ohne richterliche Anordnung darf die Guardia Civil keine Zwangsräumung vornehmen, und bis zu deren Erteilung können Monate vergehen.
Kriminelle Hausbesetzer als Vermieter
Hausbesetzungen haben sich in Spanien zum Albtraum auch und vor allem deutscher, privater Immobilienbesitzer entwickelt. Waren es früher vornehmlich Aktivisten der sogenannten Okupa-Bewegung (von occupare = besetzen), die überwiegend leer stehende Immobilien in Bankbesitz fernab der Ferienzentren besetzten, sind es nun zunehmend organisierte Banden, die die Abwesenheit der Eigentümer nutzen, um sich in deren Ferienwohnungen selbst kurzerhand als Mieter einzunisten oder diese an Dritte zu vermieten. Und die Polizei kann so leicht nichts ausrichten.
Eigentümer greifen zur Selbstjustiz
Denn nach spanischem Recht sind Einbruch und Besetzung zwar strafbar, eine Zwangsräumung bisher aber nur möglich, wenn die Besetzer inflagranti erwischt werden. Wenn sie es dagegen schaffen, drei Tage unentdeckt in einer Immobilie zu bleiben und die Schlösser auszutauschen, haben sie nach bisheriger Gesetzeslage ein Bleiberecht, und nicht einmal der Eigentümer selbst darf sich Zugang verschaffen. Es sei denn, der rechtmäßige Besitzer greift zur Selbstjustiz und engagiert für viel Geld eine private Räumungs-Firma wie z. B. Desokupa. Die hat sich darauf spezialisiert, im Handumdrehen (und angeblich ohne Gewaltanwendung) genau das zu tun, was die Polizei nicht so ohne weiteres darf und tut: nämlich die „neuen Mieter“ kurzfristig und ohne Gerichtsbeschluss aus der Immobilie zu vertreiben, unabhängig davon, wie lange sie sich schon in der Immobilie aufgehalten haben.
Gewalt ist keine Lösung
„Wir halten uns an das Gesetz und gehen nicht gegen Besetzer vor, die aus materieller Not handeln“, behauptet Daniel Esteve, Desokupa-Chef und ehemaliger Berufsboxer, zu dessen Team Kampfsportler und Anwälte gehören.
Dass es bisher noch zu keinen nennenswerten Konflikten mit dem Gesetz gekommen ist, liegt wohl an der geschickten Vorgehensweise seiner Mitarbeiter: So blockieren sie z. B. die Hauseingänge, wenn die unrechtmäßigen Mieter zum Einkaufen das Haus verlassen, so dass sie bei ihrer Rückkehr das Haus nicht mehr betreten können.
Dubiose Geschäftemacher mischen sich ein
Doch Daniel Esteves cleveres Geschäftsmodell scheint bedroht. Nicht nur weil die steigende Nachfrage nach seinen Diensten zahlreiche konkurrierende Nachahmer auf den Plan ruft, sondern auch und noch viel mehr, weil er es zunehmend mit überaus professionell arbeitenden Banden der organisierten Kriminalität zu tun hat, die so einfach nicht auszutricksen sind. Diese nutzen die in Spanien traditionell günstigen Regelungen für aus Not begangene Hausbesetzungen schamlos für ihre Zwecke aus und verwenden die besetzten Objekte als Diebeslager und Drogenverstecke, plündern sie aus, vermieten sie betrügerisch weiter oder benutzen sie für Erpressungen: 5.000 Euro – und der Eigentümer bekommt seine Wohnung zurück!
Gesetzesschnellschuss soll Gemüter beruhigen
Nachdem das angeblich besetzte Anwesen von Tennis-Legende Boris Becker im Nordosten Mallorcas oder die besetzte Villa eines Hamburger Steuerberaters an der Playa de Palma medial für Aufsehen sorgten, sieht sich die Zentralregierung in Madrid nun endlich genötigt, eine härtere Gangart gegen Hausbesetzungen einzulegen. Das dürfte nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass Ausländer zu einer wichtigen Größe des spanischen Immobilienmarktes geworden sind.
„Der Eindruck, dass gegen Hausbesetzer nur Selbstjustiz hilft, könnte (ihnen) die Lust aufs Ferienhaus verderben und erhebliche Steuereinnahmen gefährden“, konstatiert der Jurist Lutz Minkner, der seit 25 Jahren als Makler für Immobilien auf Mallorca tätig ist.
Zukünftig ist eine schnellere Räumung möglich
Nach einem soeben im Schnellverfahren verabschiedeten Gesetz sollen fortan Immobilien von Privatpersonen, sozialen Einrichtungen und öffentlichen Verwaltungen nunmehr spätestens innerhalb von 20 Tagen zwangsgeräumt werden. Wenn ein Eigentümer eine Hausbesetzung angezeigt hat und die Hausbesetzer bzw. „neuen Mieter“ innerhalb von 5 Tagen keinen rechtskräftigen Nachweis über ihr Nutzungsrecht erbracht haben, kann nach neuester Gesetzeslage vom Gericht die sofortige Räumung angeordnet werden – und zwar ohne Widerspruchsrecht.
Banken und andere Unternehmen ausgenommen
Damit hat das bisher monatelange juristische Hin und Her ein Ende. Aber wie schnell die Zwangsräumung dann tatsächlich durchgeführt wird, hängt auch mit dem neuen Gesetz vom Arbeitstempo der Behörden und Gerichte ab. Und was ist mit den Schäden, welche die Hausbesetzer bis zum Zeitpunkt der Zwangsräumung bereits in der Immobilie angerichtet haben? Deshalb dürften Räumungsfirmen wie die von Daniel Esteve weiter Konjunktur haben. Der bleibt denn auch zuversichtlich und beendet jedes seiner Facebook-Videos mit dem Satz „Wir machen weiter – immer stark!“
Wohnungseigentümer bleiben auf Kosten sitzen
An Kunden dürfte es auch nach dem Madrider Gesetzes-Schnellschuss, der übrigens nicht für den Immobilienbesitz von Banken und anderen Unternehmen gilt, keinen Mangel geben. Und weil die bereits erwähnten auf Wohnungsbesetzungen spezialisierten Banden den Schlüssel zu den vereinnahmten Wohnungen auch an Arme und Arbeitslose verkaufen, kann es durchaus passieren, dass der rechtmäßige Eigentümer am Ende auf den Anwalts- und Gerichtskosten sitzenbleibt, wenn es nach der Zwangsräumung nach Monaten tatsächlich zu einem rechtskräftigen Urteil kommen sollte.