Der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Bundesregierung geplante „Immunitätsausweis“ für Personen, die eine Infektion mit dem gefährlichen Virus überstanden haben, hat zu heftigen Reaktionen, nicht nur bei der Opposition, geführt.
Die Grünen forderten Spahn auf, sein Vorhaben fallenzulassen. Robert Habeck sprach sogar von kontraproduktiven Plänen: „Sie setzten einen indirekten Anreiz, sich zu infizieren, um im Shutdown wieder mehr Freiheiten als andere zu erhalten“, sagte er der Funke-Mediengruppe. Das führe jede Eindämmungsstrategie ad absurdum. „Außerdem öffnet es einer sozialen Stigmatisierung Tür und Tor. Das Spaltungspotenzial für die Gesellschaft ist immens“, warnt Habeck. Er sieht die Gefahr, dass Arbeitgeber nur noch Menschen mit Immunitätsausweis einstellen.
„Corona-free“ als Wettbewerbsvorteil
In der Öffentlichkeit oder bei privaten Festen könne „Corona-free“ zu einem sozialen Kriterium werden. Einmal eingeführt, könnte ein Immunitätsausweis Schule machen, „sodass dann alle Krankheiten zum Beispiel gegenüber Arbeitgebern gemeldet werden müssen“. Spahn möchte die Regelung nicht nur auf Covid-19 beziehen, sondern allgemein auf übertragbare Krankheiten. „Hinzu kommt, dass es bislang keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Immunität von Covid-19 gibt. Das ist keine gute Grundlage. Die Bundesregierung sollte von ihren Plänen lassen“, so der grüne Vormann.
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„Autoritäres“ Vorgehen verhindern
Protest kommt auch von den Linken. Ihr Fraktionchef Dietmar Bartsch lehnt einen derartigen Ausweis ab. „Ich finde einen Immunitätsausweis, der womöglich reguliert, wer raus darf und wer nicht, völlig falsch“, sagte der Linkenpolitiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und wird dann deutlich: „Ich will keinen Überwachungsstaat“. Bei manch einem Minister habe er das Gefühl, dass dieser mit mehr autoritärem Agieren ganz gut leben könne. „Da werden wir nachdrücklich gegen halten, hier übrigens gemeinsam mit FDP und Grünen“, sagt Bartsch.
Datenschützer sieht Diskriminierung
Der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar hat erhebliche Vorbehalte gegen die Einführung eines Immunitätsausweises. „Selbst wenn die tatsächlichen Voraussetzungen vorhanden wären, wiese der Einsatz eines solchen Ausweises den gefährlichen Weg in eine Diskriminierungs- und Entsolidarisierungsfalle“, warnt Caspar im Handelsblatt. Gesundheitsdaten „könnten über den Zugang zu Leistungen entscheiden und in der Konsequenz die Gruppe der Personen, die eine Immunität nicht nachweisen, vom öffentlichen Leben ausschließen“.
Ein Ausweis für alle „als Eintrittskarte in das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Leben, würde am Ende gerade die Personen, die aus Altersgründen oder Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehören, am stärksten diskriminieren“, so der Datenschützer. Denn diese könnten aus Caspars Sicht nicht den Weg einer schnellen Immunität gehen. „Das grundrechtlich verankerte Diskriminierungsverbot muss hier beachtet werden.“ Rechtsstaatlich stünden die Pläne für einen Immunitätsausweis auf „tönernen Füßen“.
Patientenschützer warnen vor Selbstinfektion
Patientenschützer sehen in dem Immunitätsausweis „einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“. Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Dieser Vorschlag geht weit über die aktuelle Bekämpfung der Pandemie hinaus, denn während die Immunisierten Teilhabe am öffentlichen Leben erhalten, wird sie den Nichtimmunisierten verwehrt“. Das sei „zutiefst diskriminierend“. Zudem verleite der Immunitätsausweis zu vorsätzlichen Selbstinfektionen. „Der Hochrisikogruppe bliebe dann nur die Wahl zwischen langanhaltender Isolation oder Lebensgefahr. „Eine solche Spaltung der Gesellschaft ist unverantwortlich“, sagt Brysch, der die „forsche Einführung“ eines derartigen Ausweises kritisiert.
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Hintergrund
Die Bundesregierung plant, einen Corona-Immunitätsausweis einzuführen, der ähnlich wie der Impfpass nachweisen könnte, dass eine Covid-19-Erkrankung überstanden ist. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der am Mittwoch (29.4.) im Kabinett beschlossen wurde und der Anfang Mai vom Bundestag beraten werden soll.
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Quelle: rb, dts