Zu wenig Wohnraum ist der Grund für immer mehr unbezahlbare Mieten in Deutschlands Ballungszentren. Während und weil die Mietpreisbremse versagt, sollen jetzt jährlich auf die Schnelle 140.000 neue Wohnungen aus seriell vorgefertigten Teilen zusammengesetzt werden.
Geliebt, gehasst und wieder im Kommen: Hinter den Plattenbauten, die als Hinterlassenschaft der DDR das Stadtbild vieler ostdeutscher Städte mitprägen, stand jenseits des Pragmatismus (schnell und kostensparend, da standardisiert) die Idee von Gleichheit: In diesen Wohnungen sollte klassenlos der Hochschullehrer neben dem Arbeiter, die junge Familie neben dem Rentner-Ehepaar wohnen.
Angesichts des boomenden Baus von renditestarken Mikro-Appartements und luxuriösen City-Wohnungen, die nicht zufällig ins Airbnb-Geschäftsmodell passen, ist diese Bauweise jetzt mit der zunehmenden sozialen Ungleichheit und dem dramatischen Run auf bezahlbaren Wohnraum aus dem Dornröschenschlaf erwacht. „Serielles Bauen“ heißt das Zauberwort beschwichtigend.
Baulücken schließen, wo Baugrund fehlt
Um Baulücken zu schließen und innerstädtische Räume (dazu gehören wie z. B. in Bremen und Hannover neuerdings auch beliebte Plätze und Parkanlagen) „nachzuverdichten“, sollen vielerorts mit vorgefertigten Bauteilen und kompletten Raummodulen standardisierte, günstig kalkulierbare Wohnungen entstehen. Das Problem nur: Woher in den Ballungszentren den Baugrund dafür nehmen? Da kann auch die Mischnutzung ausgewiesener Gewerbegebiete durch zusätzliche Wohnbebauung allein nicht weiterhelfen.
Wenn die GroKo – so sie denn kommt – wie geplant Milliarden Euro für den seriellen gemeinnützigen Wohnungsbau in die Hand nehmen und den Städten und Gemeinden womöglich noch ein Vorkaufsrecht und Preisnachlässe für bundeseigene Grundstücke und Immobilien einräumt, wird die öffentliche Hand zum Big Player auf dem dann noch enger und teurer werdenden Immobilienmarkt. Kein gutes Omen für die Immobilienbranche und den freien Wohnungsmarkt!
Kosteneffizienz mit Drittverwertung
Aber immerhin, und das klingt gut: Das serielle Bauen mit vorgefertigten Wänden, Fußböden und kompletten Badezimmern soll es ermöglichen, Einheiten schon für 1.000 Euro pro Quadratmeter zu bauen. Und noch ein Vorteil: Serielle Wohnungen können mit variablen Grundrissen extrem bedarfsgerecht erstellt und umgenutzt werden: ob Sozialwohnung, Single-Apartment; Kindergarten oder barrierefreies Altenheimheim.
„Wir wollen, dass das standardisierte Bauen den Rohbau und auch Ausbaukomponenten schnell und preiswert macht“, heißt es aus dem Bundesbauministerium. Das hat bereits 2017 gemeinsam mit dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW europaweit eine Ausschreibung zum seriellen Bauen von bezahlbaren Wohnungen auf den Weg gebracht.
Vorschläge für Turbo-Wohnungen
Bereits im Frühjahr 2018 sollen jetzt mit Bietergemeinschaften aus Planung und Ausführung deutschlandweit erste Rahmenvereinbarungen über den seriellen Neubau von mehrgeschossigen Wohngebäuden abgeschlossen werden. Noch ist die Jury aus Experten der Bau- und Wohnungswirtschaft dabei, die eingereichten Beiträge zu prüfen und auszuwerten. Und man kann gespannt sein, ob daraus nicht doch ein Plattenbau 2.0 wird – mit funktionsgerechtem, billigem Wohnraum, für alle, die woanders die Miete nicht bezahlen können. Nach den Erfahrungen in Berlin-Marzahn, Köln-Chorweiler oder auf dem Mühlenberg bei Hannover (alles Hochburgen der AfD) ist allerdings nicht auszuschließen, dass in diesem Einheitsbrei auch die weitere Spaltung der Gesellschaft erlebt und fortgeschrieben wird.
Last, but not least: In Deutschland werden derzeit jährlich rund 350.000 Wohnungen gesucht. Sollten die 140.000 Turbo-Wohnungen tatsächlich in Jahresfrist bezugsfähig sein, braucht’s immer noch 210.000 bezahlbare Wohnungen. Die gibt der angespannte Markt absehbar nicht her. Da wäre die Turbo-Mietpreisbremse als Ergänzung zum so forcierten sozialen Wohnungsbau eine ernstzunehmende Option, aber wohl kaum im Schulterschluss mit der Wohnungswirtschaft realisierbar. Darüber bei Gelegenheit (und wenn sich wirklich was bewegt) mehr.
1 Kommentare
Ja sicher kommen die Plattenbauten wieder; in München sind sie seit Jahren schon wieder gebaut worden. Sie sehen zwar etwas anders aus, haben z.B. französische Fenster, damit die Fensternische auch zur Wohnfläche gezählt werden kann, sind aber im Arrangement genauso hässlich wie ihre Pendants aus den 70ern und werden die gleichen sozialen Probleme mit sich bringen. Wie glaubt Ihr denn sollte die Bebauung sonst verdichtet werden, um neuen Wohnraum zu schaffen?
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