Der Anstieg der Corona-Infektionszahlen verliert ein wenig Tempo! Der Corona-R-Wert sinkt sechsten Tag in Folge! NRW-Innenminister Reul lobt das Verhalten der Bürger.
Kurzum, die Corona-Maßnahmen sind ein voller Erfolg! Schade, das sind alles Schlagzeilen vor dem in Kraft treten der aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen, dem „Lockdown light“. Die Trendumkehr war schon vorher statistisch erkennbar.
Virologe Streeck: Lockdown zu früh
Für den Bonner Virologieprofessor Hendrik Streeck waren die jetzigen Einschränkungen voreilig. Er sagte dazu „Ich halte den Shutdown für zu früh“. In der Süddeutschen Zeitung warnte er vor voreiligen Einschränkungen des öffentlichen Lebens. So würden die Infektionszahlen zwar sinken, aber nur vorübergehend. „Das Virus geht ja nicht weg“, so Streeck. Der Virologe empfiehlt, über eine „Langzeitstrategie“ nachzudenken.
Lauterbach: Es geht ohne Shutdown
Auch Karl Lauterbach, dem SPD-Gesundheitsexperten und unermüdlichen Corona-Warner kommen so langsam Zweifel am Nutzen eines Lockdowns. Auf Twitter schreibt er: „Wenn sich zum Beispiel stabil 20.000 Menschen täglich infizieren, führt das zu 200 Todesfällen pro Tag. Und dazu kommen mehrere tausend Langzeitkranke, oft mit bleibenden Schäden. Das kann doch niemand wollen. Und es läßt sich verhindern, auch ohne Shutdown.“
Gesundheitsämter überfordert
Während erfahrene Virologen wie Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit neue, innovative Wege bei der Pandemiebekämpfung gehen wollen, stoßen sie bei den politisch Verantwortlichen auf taube Ohren. Dort setzt man weiter auf Altbewährtes, wie die Kontaktpersonen-Nachverfolgung. Doch die stößt an ihre Grenzen.
Kontaktnachverfolgung reaktivieren
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) verteidigte im RBB-Inforadio die Corona-Auflagen: „Das Ziel ist, dass wir wieder unter diese Marke von 50 kommen, wo dann die Gesundheitsämter wieder in der Lage sind, die Kontakte nachzuverfolgen. Das war ja genau das, was uns über den Sommer die Stabilität bei den Infektionszahlen ermöglicht hat.“
„Weiter so“ beim Deutschen Städtetag
Auch die Kommunen setzen weiter auf die offensichtlich gescheiterte Kontakt-Nachverfolgung. „Um Corona wieder einzudämmen, bleibt die Kontaktnachverfolgung ganz zentral“, erklärt Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag. Sein Argument: Um die Infektionsketten unterbrechen zu können, müsse man sie erst einmal kennen. Einen Strategiewechsel könne er, angesichts der überforderten Gesundheitsämter, nicht befürworten, so Dedy in der FAZ.
Das KBV-Strategiepapier
In einem Positionspapier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) schreibt deren Chef Dr. Andreas Gassen: „Das Prinzip Gießkanne funktioniert nicht. Die Unterstützung der Bevölkerung schwindet. Eine pauschale Lockdown-Maßnahme ist weder zielführend noch umsetzbar. Wir brauchen ein gesundes Maß an Einschränkungen.“
Anzeige
Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, Beck 2020
Hier erfahren sie mehr > juristische-fachbuchhandlung
Das KBV-Papier empfiehlt alternativ ein Ampelsystem, mit dem die aktuelle Lage auf Bundes- und Kreisebene sofort erkennbar wird. Die medizinischen Ressourcen sollten zuerst Risikogruppen schützen, bei denen ein besonders hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf besteht. Die Mediziner empfehlen außerdem, mehr auf die Kooperation statt auf Verbote zu setzen.
Eigenverantwortung in Tübingen
Der innovative Tübinger OB Boris Palmer (Grüne) geht genau diesen Weg. Er rät Senioren davon ab, mit dem Bus zu fahren und fordert jüngere Bürger auf, morgens auf das Einkaufen zu verzichten. Alle Tübinger über 65 Jahren sollen kostenlos mit FFP2-Masken versorgt werden. Bei Bild erklärte der Oberbürgermeister: „Der Tübinger Appell setzt wie Schweden auf Eigenverantwortung und den besonderen Schutz der Alten“. Dort hatte man auf einen Lockdown verzichtet und stattdessen auf freiwillige Vorsichtsmaßnahmen gesetzt.
Japanische CLUSTER-Strategie
Schon im Sommer hatte sich die Direktorin des Instituts für Virologie an der TU München, Ulrike Protzer, für eine umgekehrte Strategie der Nachverfolgung von Corona-Infektionen ausgesprochen. Sie halte die Strategie einer Isolierung von Clustern wie in Japan für vernünftig. So könne entscheidende Zeit gespart werden, erklärte die Münchener Virologin bei n-tv.
Warnung vor zweiter Welle
„Wir müssen da im Herbst wirklich umdenken und müssen, um schnell zu sein, alle möglichen Kontaktpersonen erstmal isolieren, dann testen“, sagte Protzer bereits im August. Mit der Nachverfolgung einzelner Fälle vergehe viel Zeit, bis Infizierte in die Quarantäne geschickt würden. Im Fall einer Infektion dauere es zuerst ein, zwei Tage bis Kontaktpersonen gefunden und getestet würden, dann vergingen weitere zwei Tage, bis das Ergebnis vorliege. „Da ist einfach viel Zeit, wo ich schon unbemerkt andere angesteckt haben kann“, so die Helmholtz-Virologin.
.
Quelle: Material dts-Nachrichtenagentur