Bei ihren Sondierungsgesprächen waren sich Union und SPD einig, dass es künftig ein kollektives Klagerecht geben soll. Über Detailfragen gibt es jedoch bisher noch keine Verständigung bei den künftigen Koalitionären.
Der VW-Dieselskandal hat die Diskussion um die Einführung einer Sammelklage richtig ins Rollen gebracht. In der Folge hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einen Entwurf für die Einführung einer „Musterfeststellungsklage“ vorgelegt.
Diese neue Klageform soll es Verbrauchern ermöglichen, auch geringwertige Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche gesammelt durchzusetzen. Bisher werden diese von den Verbrauchern oft nicht verfolgt, da Aufwand und Kostenrisiko aus Sicht der Betroffenen unverhältnismäßig hoch sind.
Sammelklage noch in dieser Legislaturperiode
Bei den Verhandlungspartnern der künftigen GroKo besteht dahingehend Einigkeit, daß der Entwurf des Justizministeriums „vom Grundansatz her“ einen guten Weg aufzeigt und die neuen rechtlichen Regelungen noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. Allerdings sehen die beiden Parteien bei Detailfragen noch Verbesserungsmöglichkeiten.
Um das Klageverfahren möglichst einfach und effektiv zu gestalten schlagen sie vor, der Kläger solle „maximal zehn Einzelfälle dokumentieren müssen, um eine Musterfeststellungsklage zu erheben“. Eine Sammelklage nach US-amerikanischem Vorbild lehnen beide Seiten ab.
Union will Gesetzesentwurf nachbessern
Hier setzt auch die Kritik der Union an. „Schon seit einem Jahr weisen wir darauf hin, dass der Entwurf von Minister Maas noch deutlich nachgebessert werden muss“, sagte die CDU-Verbraucherpolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker jetzt dem „Handelsblatt“. Für sie schließt der Entwurf Geschäftsmodelle für Großkanzleien nach US-Vorbild über Umwege nicht aus. Die Vorlage sei außerdem nicht zielgenau auf eine zügige und verbindliche Entscheidung der strittigen Fragen hin ausgerichtet. So werde etwa für die Durchsetzung kleinerer Streuschäden, wie zum Beispiel Schadensersatz bei Flugverspätungen, gar keine Lösung angeboten.
Verbraucherschützer und ADAC machen Druck
Schon seit mehreren Jahren wird das Thema sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene diskutiert. Jetzt fordern Verbraucherschützer und ADAC die schnelle Einführung der Musterfeststellungsklage. Aus Sicht der Verbraucherzentrale (VZBV) und des ADAC muss die Musterfeststellungsklage zum zentralen Projekt einer neuen Großen Koalition werden. In einem Brief, über den das „Handelsblatt“ in seiner Mittwochsausgabe berichtet, verlangen sie von Union und SPD die verbindliche Zusage, dass das neue Klageinstrument auch eingeführt wird.
Wirtschaft fürchtet die Sammelklagen
„Sammelklagen sind ein Fremdkörper im deutschen Zivilprozess“, sagte dagegen der Chefjustitiar des Deutschen Industrie und Handelskammertags (DIHK), Stephan Wernicke, dem „Handelsblatt“ in der Mittwochsausgabe. „Die genaue rechtliche Ausgestaltung von Sammelklagen sollte daher nicht in den Koalitionsverhandlungen vorgenommen werden.“ Nach seiner Meinung wäre die Politik „gut beraten, die Ergebnisse des Deutschen Juristentages im September 2018 abzuwarten, der dieses Thema prominent und ausführlich behandelt“. Der DIHK befürchtet wegen der geplanten kollektiven Klageinstrumente „amerikanische Verhältnisse“ in Deutschland.
Ombudsstelle als Alternativlösung
Der DIHK-Justiziar schlägt eine neutrale, öffentlich-rechtliche Ombudsstelle vor, um das zentrale Problem der Klageberechtigung und die Missbrauchsgefahr bei grundlosen Klagen zu lösen. Damit hätten andere EU-Staaten die „besten Erfahrungen“, so Wernicke. Er sieht in dieser Alternative „ein echtes verbraucherrechtliches Zukunftsprojekt.“
Außerdem würden digitale Rechtsdienstleister, so der DIHK-Justiziar, gerade bei sogenannten Streu- und Masseschäden „schon bald eine viel größere Bedeutung erlangen, denn so können alle Betroffenen erreicht werden“.
Quelle: R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur