Das baden-württembergische „Hinweisgeber-Portal“ zur Ermittlung von Steuerbetrügern stößt beim ehemaligen Präsidenten des Bundesfinanzhofs (BFH), Rudolf Mellinghoff auf wenig Begeisterung.
„Ich halte ein solches Meldeportal für Steuerbetrug für rechtsstaatlich bedenklich, sei es auf Länder- oder auf Bundesebene“, so der ehemalige Finanzrichter im Handelsblatt. Mit der Webseite werde „organisatorisch ausdrücklich dazu aufgefordert, Steuerbetrug anzuzeigen“, kritisiert Mellinghoff, der den automatischen Informationsaustausch über Kapitalkonten für den besseren Weg hält.
Einladung zur Denunziation
„Es ist aber deutlich etwas anderes, wenn ein solches Portal dazu einlädt, zu denunzieren.“ In den Finanzämtern werden ja auch keine Flyer oder Formulare ausliegen, die dafür werben, Steuerstraftäter zu melden, meint Mellinghoff. Außerdem könne sich jeder per E-Mail an die Finanzverwaltung wenden, auch anonym. „Es werden auch Briefe an die Finanzämter geschrieben, häufig um jemandem explizit zu schaden“, sagt Mellinghoff. Er bezweifelt den Nutzen eines Meldeportals. “Wir haben doch auch kein Internetportal eingerichtet, um Verkehrssünder anzuzeigen oder Umweltsünder anzuschwärzen“, so der langjährige BFH-Präsident.
Zufriedene Steuergewerkschaft
Für die Deutsche Steuergewerkschaft ist es dagegen ein Schritt in die richtige Richtung. Anonyme Anzeigen gibt es, seit es Finanzämter gibt, erklärt ihr Vorsitzender, Thomas Eigenthaler, der Zeitung und weist die Kritik an dem neuen baden-würtembergischen Hinweisgeber-Portal zurück. Für ihn ist das nur „Wahlkampfgetöse“.
Anzeige
BuchTIPP > Praxisfälle in Steuerstrafsachen (2021)
Bd. 2 Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall
Erfahren Sie mehr > juristische-fachbuchhandlung
Die Steuerverwaltung könne jetzt durch gezielte Rückfragen den „Anzeigenschrott“ von „werthaltigen Hinweisen“ trennen, meint Eigenthaler und erklärt: „Steuerbeamte sind keine Stümper. Sie können schnell erkennen, ob nur denunziert werde oder ob man einer Steuerhinterziehung gezielt nachgehen muss.“ Sie seien nicht an „kleinlichen Nachbarschaftskonflikten“ interessiert.
Bundesländer interessiert
Das baden-württembergische Beispiel könnte Schule machen. Inzwischen überlegen auch andere Bundesländer, ein derartiges Meldeportal einzuführen. „Bei der Digitalisierung der Verwaltung sollten wir möglichst keinen Bereich ausnehmen. In diesem Sinne prüfen wir auch die Einrichtung eines entsprechenden Online-Portals“, sagte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinhold (Grüne) der Welt. Sie würde es aber begrüßen, wenn die Länder bei einem solchen Portal gemeinsam vorgingen. Das sieht man auch in Thüringen so, wo man hofft, durch gemeinsames Vorgehen die Akzeptanz beim Bürger zu erhöhen.
Warten und beobachten
Nach Informationen der Welt, wollen Berlin und Hamburg die baden-württembergischen Erfahrungen zunächst abwarten. „Aus Sicht der Senatsfinanzverwaltung sollte zunächst die Akzeptanz des Onlineportals aus Baden-Württemberg bei den Bürgerinnen und Bürgern analysiert werden“, heißt es aus Berlin und in Hamburg wartet man auf eine europäische Regelung. Hier soll das Hinweisgeber-Portal „gegebenenfalls im Rahmen der Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie“ , die bis 16. Dezember in deutsches Recht umgesetzt werden muß, eingeführt werden.
.
Quelle: dts-Material