Beim Auftritt des britischen Premierministers Boris Johnson in Brüssel fiel auf, daß er bedeutend „leiser“ auftrat als noch vor einiger Zeit. Inzwischen scheinen ihm die unausweichlichen Folgen eines „No-deal“-Brexit immer klarer zu werden.
Nach dem Ausfall seines amerikanischen Jokers ist seine Verhandlungsposition in Brüssel schwächer geworden und mit der aktuellen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht ihm eine extrem erfahrener Politikerin gegenüber. Diese weiss um die Stärke ihrer Verhandlungspostion. Neben dem Güterverkehr ist auch der Datenverkehr ein Sorgenkind der beiden Verhandlungs-Delegationen. Diese haben nur noch bis Sonntag ( 13.12.) Zeit, einen Crash zu vermeiden.
Chaos beim Datenverkehr
„Im Falle eines No-Deals wird es Chaos geben“, sagt der EU-Abgeordnete und Digitalpolitiker Moritz Körner (FDP) voraus. Dem Handelsblatt sagte er: „Unternehmen könnten zwar auf alternative Datenübertragungsmechanismen wie Standardvertragsklauseln zurückgreifen, diese Umstellung würde aber mit viel Bürokratie und hohen Kosten einhergehen und würde von der Wirtschaft kaum in wenigen Tagen umgesetzt werden.“
Unsicherer Datenhafen
Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink erklärte gegenüber der Zeitung: Ohne ein Abkommen werde der Datenverkehr mit Großbritannien „extrem unter Druck“ geraten. Im Fall eines „No-Deal“-Brexits werde Grossbritannien seinen Status als „sicherer Datenverarbeiter“ verlieren und übergangslos auf das Niveau eines „unsicheren Drittstaates“ herabgestuft werden. Die Folge: Es entstünde eine „extreme Verunsicherung, drohender Verlust zentraler Dienstleister, Angst vor Bußgeldern“. Firmen mit Sitz auf der Insel dürfen als Dienstleister von deutschen oder EU-Firmen nicht mehr ohne weiteres eingesetzt werden!
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Standardvertragsklauseln als Lösung?
Theoretisch können laut DSGVO sogenannte Standardvertragsklauseln für eine Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer genutzt werden. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuletzt in seinem Urteil zum EU-US-Datenabkommen „Privacy Shield“ hervorgehoben, dass es in der Verantwortung des Datenexporteurs liegt, zu prüfen, ob die Rechte der betroffenen Personen im Drittland ein gleichwertiges Schutzniveau wie in der EU genießen.
Ein offenes Geheimnis
Mit Blick auf Großbritannien äußert der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte wegen der „Verbandelung“ der britischen Geheimdienste mit denen der USA Zweifel. Der Brexit lege eigentlich nur das offen, was Datenschützer schon seit langem wissen, sagt Brink. „Die Überwachungs- und Austauschtätigkeit auch der Geheimdienste des Vereinigten Königreichs verletzen die EU-Grundrechte-Charta als unangemessene, übermäßige staatliche Überwachung der Bürgerinnen und Bürger“.
Auch Kelber sieht Probleme
Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, weist im Handelsblatt darauf hin, dass Datenübermittlungen nur dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer erfüllt werden. Da aber sieht Kelber ein Problem: „Was für Großbritannien nicht funktionieren wird: Freier Markt für personenbezogene Daten von EU-Bürgerinnen bei gleichzeitiger einseitiger Möglichkeit, das Schutzniveau für diese Daten zu verändern“.
Ohne Rechtssicherheit – kein Geschäft
Andreas Schwab, Binnenmarktsprecher der EVP im EU-Parlament betont: Es ist wichtig für die Wirtschaft, „dass wir vor allem Rechtssicherheit schaffen“. Diese sei derzeit nicht gegeben. „Die Kommission hat sich bemüht, die verschiedene Szenarien vorzubereiten, allerdings fehlen in den Detailfragen noch immer klare, konkrete Vorgaben“, kritisiert Schwab und sein EU-Parlamentskollege Moritz Körner von den Liberalen warnt: „Es droht ein Bürokratie-Chaos und erhebliche Einschränkungen für den Datenfluss über den Ärmelkanal.“
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Quelle: Material dts