Verunsichert eine Richterin mit Kopftuch die Bürger? NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) will diese Frage erst gar nicht aufkommen lassen. In einer Diskussion mit Jurastudenten der Ruhr-Universität in Bochum (RUB) sagte er: „Es darf nicht einmal der bloße Schein aufkommen“, dass die Justiz nicht objektiv entscheiden würde.
Organisiert hatten die Diskussion, die unter dem Thema „Religiöse Neutralität in der Justiz?“ lief, die beiden Professoren Burckhard Kämper und Arno Schilberg. Beide lehren als Honorarprofessoren am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Rechtsökonomik der Ruhr-Universität Bochum.
Das Interesse an der umstrittenen Gesetzesvorlage der Landesregierung war so gross, dass sich trotz der laufenden Semesterferien über 100 Studierende eingefunden hatten, um mit dem NRW-Justizminister über das geplante „Gesetz zur Stärkung religiöser und weltanschaulicher Neutralität der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen“ zu diskutieren. Während der Deutsche Richterbund das Vorhaben unterstützt, haben die beiden christlichen Kirchen erhebliche Bedenken.
Warten auf Karlsruhe
Aktuell ruht das Gesetzgebungsverfahren, da beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe eine Klage zur Entscheidung ansteht. Eine Rechtsreferendarin aus Hessen klagt dort gegen ihr Kopftuchverbot und beruft sich dabei auf die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit.
„Wir machen nichts mehr, da wir das Gesetz nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts sofort ändern müssten“, sagte Biesenbach zu der abwartenden Haltung der Landesregierung.
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Offenbar wurde, dass bei der Diskussion nicht nur zwei Generationen aufeinandertrafen, sondern auch unterschiedliche Rechtsauffassungen. Die Nachwuchsjuristen hatten sich im Rahmen einer Hausarbeit intensiv mit dem Thema beschäftigt und vertraten liberalere Rechtspositionen als der Jurist und CDU-Politiker Biesenbach.
Jurastudent Piet Blanc forderte mehr Toleranz. Nach seiner Meinung kann der Rechtsstaat es aushalten, religiöse Kleidungsstücke zu dulden. Blanc sagte: „Der Bürger kann das sehr wohl unterscheiden.“ Das sieht Biesenbach anders. Für ihn darf „nicht einmal der bloße Schein“ aufkommen, denn der Rechtsstaat lebe vom Vertrauen der Bürger in die Justiz. Das Richteramt sei ein Dienst an der Allgemeinheit und diene nicht der Selbstverwirklichung seines Inhabers.
Keine empirischen Daten
Eine Studentin wies Biesenbach auf das Fehlen jeglicher Daten als Grundlage des Gesetzgebungsverfahren hin. Sie sagte: „Ich habe keine empirische Untersuchung gefunden, dass der Bürger sich gestört fühlt.“ Die Studentin befürchtet, dass besonders Frauen muslimischen Glaubens durch das Gesetz eingeschränkt werden könnten. Das Fehlen dieser Untersuchungen mußte der CDU-Politiker zugeben, aber für ihn ist das neue Gesetz „eine Vorleistung des Staates“, der keine religiösen oder privaten Einflüsse im Gerichtssaal will. Um diese zu verhindern, bedürfe es allgemeiner Regelungen, argumentierte Biesenbach.
Richteramt schon reglementiert
Die Dekanin der juristischen Fakultät, Professorin Andrea Lohse, war selbst lange als Richterin tätig. Sie wies im Rahmen der Diskussion auf die bereits bestehenden Einschränkungen für Richterinnen und Richter hin. Das erstrecke sich sowohl auf die Kleiderordnung, als auch das Verhalten vor Gericht und in der Öffentlichkeit. Lohse sagte dazu: „Richter sollen in der Öffentlichkeit nicht als Person wahrgenommen werden“. Zur Neutralität verpflichte sie schon der Richtereid, in dem es heißt „ohne Ansehen der Person“.
Die Position des NRW-Justizministers konnten die Studierenden in Bochum mit ihren Argumenten nicht erschüttern. Biesenbach sagte unmißverständlich: „Ich will keine religiösen Bekenntnise im Gerichtssaal haben und die damit verbundenen Auseinandersetzungen.“ Ihn treibt die Sorge, daß dem Ansehen der Justiz Schaden zugefügt werden könnte. Biesenbach will mit seinem Neutralitätsgesetz für die Justiz deren „objektive Funktion“ schützen. Nur eine objektive Justiz sei in der Lage, die Religionsfreiheit der Bürger zu schützen.
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Hintergrund: Bereits Anfang 2018 stellte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) die Eckpunkte zur Förderung religiöser und weltanschaulicher Neutralität in der Justiz vor. Im Oktober 2018 präsentierte die Landesregierung dann den Gesetzesentwurf zum „Gesetz zur Stärkung religiöser und weltanschaulicher Neutralität der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen“. Darin wird es Richterinnen und Richtern, aber auch anderen Justizbediensteten untersagt, bei Gerichtsverhandlungen und der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten religiöse oder weltanschauliche Kleidung zu tragen.