Bei der ersten Lesung des Entwurfes für ein neues Epidemiegesetz in Nordrhein-Westfalen (NRW) am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag blies der Landesregierung ein eiskalter Wind ins Gesicht. Der Entwurf entpuppte sich als juristische Großbaustelle.
Nachdem Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) seinen Gesetzentwurf vorgestellt hatte, mußte er heftige Kritik von Seiten der Opposition einstecken. Gleich zu Anfang der Aussprache im Landtag warnte Thomas Kutschaty (SPD) den Ministerpräsidenten: „Die Landesregierung soll sich nicht verleiten lassen, am Landtag vorbei und ohne die Abgeordneten zu regieren.“ Durch seine mangelhafte Kommunikation mit der Opposition sei er in eine „verfassungsrechtliche Sackgasse“ geraten.
Kein Freibrief für die Exekutive
Wenn es darum ginge Leben zu retten, oder Menschen zu schützen, versichere er ihm die volle Unterstützung seiner Partei. Aber „die SPD unterstützt keine verfassungswidrigen Gesetze oder Ermächtigungen,“ sagte Kutschaty. Corona sei eine Gesundheitskrise und keine Krise der Demokratie und niemand dürfe sie dazu machen, so der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag. Jetzt sei nicht die Zeit für Notstandsgesetze und Freibriefe für die Exekutive.
Zwangsverpflichtung statt Wertschätzung
Zu der geplanten Zwangsverpflichtung von Medizinerinnen und Medizinern hat der Jurist und ehemalige NRW-Justizminister Thomas Kutschaty eine klare Meinung. Anders als in den Reden des Ministerpräsidenten, in denen er immer wieder die besondere Wertschätzung der Mediziner betone, sei dieser Gesetzentwurf mit seiner geplanten Zwangsverpflichtung „keine Ausdruck von Wertschätzung“. Das könne seine Partei nicht mittragen. Kutschaty forderte in diesem Zusammenhang, als Zeichen der Wertschätzung, eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte.
Kutschaty: „Fahrlässiger Gesetzentwurf“
Den Juristen Kutschaty störten auch formale Mängel des Gesetzentwurfes und das zu Recht. Müssen doch in einem Gesetz die vorgesehenen Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte aufgeführt werden. Dazu sagte er: „Erschreckt hat mich nicht, was ich gelesen habe, sondern was fehlt.“ Den vorgelegten Entwurf bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der NRW-SPD als „fahrlässig“. So schaffe man kein Vertrauen. Er schloss seinen Redebeitrag mit den Worten: Um das Problem zu lösen, brauche es keine Notstandsverordnungen, Zwangsverpflichtungen, oder die Einschränkung von Grundrechten.
Modell „Freiwillige Feuerwehr“
Auch für die Grünen im Düsseldorfer Landtag ist der Gesetzentwurf „unausgereift“. Beispielhaft demonstrierte der Grünen-Politiker Mehrdad Mostofizadeh das am Beispiel der Handlungsfähigkeit von Kommunen im Falle einer Haushaltssperre. Hier vermisse er die entsprechenden Regelungen im Gesetzentwurf. Nach Meinung der Grünen kann ein Gesetz nur durch ein Gesetz außer Kraft gesetzt werden und nicht durch eine Verordnung.
Statt einer Zwangsverpflichung von medizinischem Personal schlagen die Grünen ein Modell wie bei der freiwilligen Feuerwehr, oder dem Katastrophenschutz vor. Die Helfer würden dann von ihrem Arbeitgeber freigestellt.
Nach der Lesung wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Federführend ist dabei der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Quelle: Landtag NRW
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