Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sprach einer Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu, da die operierenden Ärzte im Bauchraum der Patientin eine 1,9 cm lange OP-Nadel vergessen hatten.
Der 1. Zivilsenat des OLG Stuttgart verurteilte bei einer Berufungsverhandlung in einem Arzthaftungsprozess den Träger des Bundeswehrkrankenhauses Ulm zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro und Schadensersatz für noch nicht vorhersehbare Schäden.
Die Klägerin mußte sich im März 2014 einer urologischen Operation unterziehen. Nach Ende der Operation vergassen die Ärzte eine 1,9 cm lange OP-Nadel aus dem Bauchraum der Patientin zu entfernen. Dies wurde bei einer nachfolgenden CT-Untersuchung im April 2014 festgestellt und die Patientin darüber informiert. Seit der Entdeckung der Nadel muss sich die Frau zur Kontrolle der Nadel im Körper regelmäßig röntgenologisch untersuchen lassen. Sie befürchtet Folgeschäden und eine weitere Operation zur Entfernung der Nadel.
In erster Instanz des Arzthaftungsprozesses hatte das Landgericht Ulm das Bundeswehrkrankenhaus zu Schmerzensgeld und Schadensersatz verurteilt. Dagegen legte dessen Träger, vertreten durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistung der Bundeswehr, Berufung ein. Nach seiner Ansicht stellt eine unterbliebene Zählkontrolle bei der Operation keinen Behandlungsfehler dar.
Aus der Entscheidung des Gerichts:
Das Oberlandesgericht gibt der Geschädigten überwiegend Recht und reduziert lediglich das erstinstanzlich verhängte Schmerzensgeld. Der Senat sieht im Zurücklassen der Nadel im Bauchraum einen schuldhaften Behandlungsfehler, der der Klinik zur Last fällt. Nach der BGH-Rechtsprechung müssten Ärzte alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen das unbeabsichtigte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet treffen und sämtliche Instrumente nach einer OP auf ihre Vollständigkeit überprüfen. Zur Zählkontrolle und Vermeidung unbeabsichtigt im Operationsgebiet zurückgelassener Fremdkörper hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit bereits 2010 Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Da diese Handlungsempfehlungen auf Grundlage eines Beschlusses des deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurden, hält es der Senat für befremdlich, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland meint, sie selbst sei 4 Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlungen nicht zu Zählkontrollen bei Operationen verpflichtet. Nach den weiteren Darlegungen des Senats seien der Behandlungsfehler und die verspätete Aufklärung der Patientin jedoch nicht als grober Behandlungsfehler zu bewerten.
Das unbemerkte Zurücklassen der Nadel habe bei der Klägerin zu einem Schaden geführt. Sie sei nicht nur durch die regelmäßigen Lagekontrollen der Nadel, sondern auch durch das Wissen um die Nadel im Körper und die Ungewissheit über die Erforderlichkeit einer Operation zu deren Entfernung belastet. Das Berufungsgericht hält daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- € für angemessen und ausreichend. Weiter erhält die Klägerin ihre bisherigen materiellen Schäden in Höhe von rund 2.000,- € erstattet. Im Übrigen stellte der Senat fest, dass der Krankenhausträger verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus dem Behandlungsfehler zu ersetzen.
PM OLG Stuttgart vom 20.12.2018
Az.: 1 U 145/17
Urteil vom 20.12.2018 – Eine Revision wurde nicht zugelassen.