Während die Furcht vor dem Coronavirus das Tagesgeschehen in Deutschland bestimmt, behielten die Teilnehmer des 16. Deutsche Pferderechtstages in Braunschweig die Nerven. Dieser war mit 210 Teilnehmern komplett ausgebucht. „Pferdeleute sind robuster“, meint Veranstaltungsleiter Thomas Doeser. Doch vorsorglich hatte er für die Teilnehmer auch weitergehende Vorsichtsmaßnahmen getroffen.
Der Deutsche Pferderechtstag ist das wichtigste Treffen für Juristen mit Spezialisierung auf Pferderecht. Er gehört ebenfalls zum Pflichtprogramm für Pferde-Sachverständige und für Fachtierärzte. Die Teilnehmer kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.
Reitsport ist ein kostspieliges Vergnügen. Die Anschaffungskosten für ein Pferd gehen schnell in den fünfstelligen Euro-Bereich und weit darüber hinaus. Der Preis für aussichtsreiche Sportpferde liegt im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Für einen guten Zuchthengst muß der Käufer noch tiefer in die Tasche greifen. Siebenstellige Summen sind da keine Seltenheit, wie die einschlägigen Auktionen zeigen.
Da gibt es beim Kauf einiges zu beachten und der kluge Käufer schaltet im Vorfeld einen juristischen Spezialisten für den Kaufvertrag und einen medizinischen Spezialisten für den Gesundheits-Check des zu erwerbenden Pferdes ein.
200 juristische Folien für den Pferdekauf
Diese Spezialisten teffen sich einmal jährlich beim Pferderechtstag und informieren sich über aktuelle Rechtsentwicklungen im Reitsport. Dozent Professor Dr. Ansgar Staudinger (Universität Bielefeld) verdeutlichte mit Hilfe von über 200 Folien die rasante Entwicklung in diesem Rechtsbereich, in dem es um Pferdehandel, Tierhalterhaftung und die Haftung von Tierärzten geht. Manche Gerichtsentscheidungen sind erst auf den „zweiten Blick“ als für den Pferdekauf wichtig erkennbar, meint Rechtsanwalt Thomas Doeser. Er organisiert den Pferderechtstag inzwischen seit 16 Jahren. Doeser ist sich sicher: „Dieser Beitrag war für alle Teilnehmer der höchste Gewinn für die Praxis.“
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Verjährungsfristen beim Kauf von „Gebrauchten“
Staudinger wies in seinem Vortrag auf eine wegweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg hin. Dabei geht es um die Verkürzung von Verjährungsfristen beim Kauf von „gebrauchten“ Pferden. Diese Fristen würden zwar der Regelung im deutschen BGB entsprechen, aber der entsprechende Paragraf sei nicht konform mit dem Europarecht und deshalb unwirksam. Nach Staudingers Meinung wird das in der Praxis, bei den gängigen Musterkaufverträgen, nicht ausreichend berücksichtigt.
Für die Darstellung der richterlichen Sicht war die Präsidentin des Oberlandesgerichts (OLG) in Celle und Vorsitzende des dortigen Pferdesenats, Stefanie Otte, eingeladen worden. Sie stellte eine Reihe von wichtigen Entscheidungen ihres Gerichts vor. Bei den Streitigkeiten handelt es sich meist um Kaufverträge. Es geht dabei um „Mängel der Kaufsache Pferd“, Haftungsfragen bei „Falschbehandlung“, fehlerhafte Kaufuntersuchungen oder eine „unvollständige vorvertragliche Aufklärung“ durch Tierärzte. Nach Meinung der OLG-Präsidentin sollten Pferdefälle zügiger bearbeitet werden, da es sich um lebende Tiere handelt.
Tierarzt für Pferde – ein riskanter Job ?
Das tierärztliche Schwerpunktthema beim diesjährigen Pferderechtstag in Braunschweig war die Haftungsproblematik bei der „Kaufuntersuchung“ von Pferden. Diese ist abhängig vom Kaufpreis des Pferdes, oder seiner Verwendung. Ohne medizinische Expertise in Form einer „Beschaffenheitsvereinbarung“, gehen beide Vertragsparteien ein hohes Risiko ein. Die Kosten einer solchen „Ankaufsuntersuchung“ hängen vom gewünschten Umfang ab. Sie reichen von ca. 250 Euro (einfache Draufsicht) bis zu mehreren tausend Euro (Untersuchung u.a. mit Röntgen,Ultraschall und MRT).
Der bekannte Gutachter Professor Dr. Hartmut Gerhards stellte anhand praktischer Fälle die möglichen Risiken bei Kaufuntersuchungen vor. Für die Auftraggeber eines Gutachtens geht es in der Regel um viel Geld. Für sie besteht die Gefahr, daß der Gutachter medizinische Befunde falsch interpretiert, oder sogar übersieht. Sollte das passieren, muß der Gutachter für den Schaden aufkommen. In einem Fall aus der jüngeren Vergangenheit wurde ein Veterinär zu einem Schadenersatz von 250.000 Euro verurteilt.
Als Fazit seiner Ausführungen kommt Professor Gerhards zu der Überzeugung, daß die aktuell üblichen Formulare für die Kaufuntersuchung von Pferden ein Rückschritt zu Lasten der Auftraggeber sind.