Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Nach Auffassung des Gerichts kann ver.di auch mit Pflegediensten außerhalb von Krankenhäusern Tarifverträge abschließen.
Damit hat das Landesarbeitsgericht die Anträge des Arbeitgeberverbandes Pflege e.V. zur Feststellung fehlender Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di zurückgewiesen. Im Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) haben sich private Pflegeunternehmen zusammengeschlossen. Doch es gibt auch noch alternativ die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP). Damit hatte ver.di im Februar einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche abgeschlossen. Dieser sollte nach § 7a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes als allgemeinverbindlich erklärt werden. Da die Caritas aber nicht zustimmte, kam es nicht dazu.
Noch während der Auseinandersetzung über die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages reichte der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einen Antrag ein. Darin bezweifelt er ver.di’s Tariffähigkeit für Pflegebetriebe, die Pflegeleistungen außerhalb von Krankenhäusern erbringen. Der Arbeitgeberverband verweist dabei auf die „heterogene Zuständigkeit“ von ver.di. Diese sei für die Prüfung der Tariffähigkeit auf die einzelnen Branchen abzustellen.
In der Pflegebranche verfüge ver.di nicht über die für eine Tariffähigkeit erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Die Lage in der Pflegebranche unterscheide sich von der Lage in Krankenhäusern. Im Laufe des Verfahrens wurde von der AGPV sogar die Tariffähigkeit von ver.di insgesamt angezweifelt. Doch das überzeugte das Gericht nicht und wies die Anträge des Arbeitgeberverbandes zurück, ließ aber eine Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht zu.
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Aus der Entscheidung des Gerichts:
Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, Voraussetzung für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung sei, dass sie sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sei, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. Abzustellen sei auf die Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von der Arbeitnehmervereinigung beanspruchten Zuständigkeitsbereichs. Es gebe keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit. Vielmehr sei die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich zu beurteilen. Es sei davon auszugehen, dass eine in erheblichen Teilen des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs durchsetzungsfähige Arbeitnehmervereinigung sich auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehle, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwerfe.
Daher habe eine etwa fehlende Durchsetzungskraft von ver.di im Bereich der Pflegebranche für sich genommen auch nicht zur Folge, dass ver.di insgesamt tarifunfähig sei. Als Gesamtorganisation sei ver.di im Sinne der Anforderungen an die soziale Mächtigkeit offensichtlich organisations- und durchsetzungsfähig sowie in der Lage, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen.
Beschluss v. 24.06.2021, Az.: 21 BVL 5001/21
Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht möglich.
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Quelle: PM LAG Berlin-Brandenburg v. 26.8.2021